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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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beiden Familien Platz genommen hatten, griff Gebika nach einem Stück Brot und betrachtete die Kinder. Sigfrid und Gunter aßen bereits. Gudrun und Hagen saßen aufrecht mit im Schoß gefalteten Händen und warteten. Gudrun hob stolz das energische Kinn. Über ihrer rechten Brust funkelte ein in gehämmertem Silber gefaßter Granat. Hagen wirkte wie ein strenger Wächter. Gebika hustete und richtete seinen Blick auf Alprecht, der ihm gegenübersaß. »Alprecht«, sagte er, »warum überlassen wir die Kinder nicht sich selbst, damit sie sich besser kennenlernen? Schließlich kommen wir zu... Was meinst du?« Krimhild sah zuerst ihren Mann an und dann Sigfrid, der ihren Blick wie die leichte Berührung von Brennesseln empfand. Er fühlte sich in ihrer Nähe nicht wohl, denn er hatte das Gefühl, er sollte etwas wissen, aber er wußte beim besten Willen nicht, was. »Gebika«, sagte Krimhild kühl, »glaubst du, das schickt sich? Gudrun ist schließlich in einem Alter, das zu ... Mißverständnissen führen könnte. Ich mißtraue Sigfrid keineswegs, mein lieber Alprecht«, fügte sie hinzu, »aber der Ruf eines jungen Mädchens ist sehr gefährdet, besonders an diesem... kritischen Punkt.« Sie hob bedeutungsvoll die Schultern und lächelte Alprecht so klar und kalt an wie Eis, das in der Wintersonne funkelt.
    »Ihre Brüder werden auf sie achtgeben«, erwiderte Gebika lachend. »Du weißt doch, Hagen ist immer sehr darauf bedacht, alles von ihr fernzuhalten, was auch nur im geringsten bedenklich sein könnte. Die Götter wissen, nichts kann ihn davon abbringen, das zu tun, was er für notwendig hält. Du mußt dir also wirklich keine Gedanken machen, Krimhild.«
    »Wie du meinst«, sagte Krimhild.
    Der Sinwist betrat jetzt die Halle, gefolgt von den Burgundern und Alprechts Leuten. Der Sinwist kam unaufgefordert zur Ehrentafel. Alprecht bot ihm höflich einen Platz an, und Herwodis schenkte ihm Wein ein. Krimhild musterte das schmale, hagere Gesicht des Alten unruhig. Er nickte langsam, wobei die schneeweißen Haare, die von einem Lederband zusammengehalten wurden, sich so geschmeidig wie die langen Zweige einer Weide bewegten.
    »Gut«, sagte Krimhild. »Alprecht? Ist dein Sohn bereit, sich unserer Kinder anzunehmen?«
    »Ich bin sicher, Sigfrid wird ihnen mit Freuden alles zeigen«, erwiderte Alprecht und warf Sigfrid einen Blick zu, der sofort aufstand. »Natürlich«, sagte er an die drei Burgunder gewandt, »gehen wir.« Die vier verließen die Halle und liefen den Hügel hinunter. Am Waldrand erreichten sie die große Koppel, wo die Pferde der Burgunder standen und Heu und Hafer fraßen. Sie blickten einen Augenblick schweigend auf die Tiere, dann streckte Gunter die Hand zur Begrüßung aus und sagte:
    »Ich bin Gunter, und das sind Gudrun und Hagen.« Sigfrid fand das eigentlich unnötig, aber Hagen folgte schweigend dem Beispiel seines Bruders. Gunter fragte: »Was kann man hier tun? Ist die Jagd gut? Im letzten Winter haben wir einen Keiler erlegt, und ich habe geholfen, ihn zu töten. Dabei habe ich das hier abgekriegt.« Er schob den weiten Ärmel der grünen Tunika hoch und zeigte eine lange rosa Narbe auf dem kräftigen Unterarm.
    »Er hatte noch großes Glück«, sagte Hagen. Der gespenstische Klang seiner monotonen Sprechweise ließ Sigfrid wieder erschauern und weckte in ihm eine schmerzliche Erinnerung, aber er wußte nicht woran. »Wenn du nicht beiseite gesprungen wärst, als Gebika dich warnte, hätte der Eber dich aufgespießt.« »Aber ich bin zur Seite gesprungen«, erwiderte Gunter und lachte. »Hagen macht sich immer
    Sorgen«, erklärte er Sigfrid. »Stell dir vor, er macht sich nicht nur Gedanken über das, was geschieht, was geschehen könnte und über das, was die Leute tun, er bleibt sogar nachts wach und denkt darüber nach, was geschehen ist!«
    Gunter stieß seinen Bruder freundschaftlich in die Seite. Hagen schlug zurück, und die beiden balgten sich eine Weile - Gunter lachte, aber Hagen blieb ernst.
    »Ist er immer so?« fragte Sigfrid leise Gudrun, »lächelt er nie?«
    »Du meinst Hagen?« flüsterte sie zurück. »Nein, er ist schon immer so gewesen.«
    Gunter und Hagen lösten sich voneinander und zogen die Tuniken glatt. »Kannst du ringen?« fragte Gunter. Sigfrid nickte. »O ja. Und du?«
    »Versuch es doch, dann wirst du es ja sehen«, erwiderte Gunter. Die beiden umkreisten sich, und Sigfrid sprang auf Gunter los, der den Angriff geschickt abwehrte. Die beiden rangen

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