Rheingold
dein Land zu holen, aber Alprecht und ich werden diese Frau für dich aussuchen. Und auch sie wird keine Wahl haben. Denke daran, wenn du mit der Frau, für die wir uns entscheiden, nicht so glücklich bist, wie wir es dir wünschen. Und vergiß nicht, es geht dabei um die Ehre unserer Sippe und um den Frieden und die Stärke deines Landes.
Dafür sind Verträge und familiäre Bande mit anderen Völkern ebenso notwendig wie deine Kraft. Deshalb mußt du deine Vorstellungen von einer Heirat solchen Dingen unterordnen.« »Gut.« Sigfrid nickte. »Das verstehe ich. Aber es wird doch noch Jahre dauern, bis ich heirate, oder? Ich muß mich doch zuerst im Kampf bewähren!«
»Ja, trotzdem müssen dir auch solche Dinge bewußt sein. Die Verträge, die wir hoffen, in den nächsten Tagen mit den Burgundern zu schließen, sind... recht heikel. Ich möchte jetzt nicht mehr darüber sagen, damit du nicht zu sehr enttäuscht bist, wenn sich nicht alles so entwickelt, wie wir es erwarten..., und ich möchte vermeiden, daß es Schwierigkeiten gibt, wenn du feststellst, daß dir etwas an diesen Verhandlungen mißfällt. Kann ich mich auf dich verlassen, ohne daß ich mehr sagen muß?«
»Natürlich.«
Herwodis legte ihrem Sohn die Hand auf die Schulter. »Du wirst die meiste Zeit mit den Kindern der Burgunder zusammen sein. König Gebika und Königin Krimhild haben drei...«
»Gunter, Gudrun und Hagen«, fiel ihr Sigfrid ins Wort. »Hagen ist etwas jünger als ich. Er muß der jüngste sein, und die beiden anderen sind ungefähr in meinem Alter. Habe ich recht?«
Herwodis lächelte zustimmend. »Ja. Gudrun kam im selben Winter auf die Welt wie du, wenn auch etwas früher. Gunter ist ein Jahr älter als sie.«
»Hagen ist der Seltsamste von den dreien«, erklärte Sigfrid eifrig, »aber ich mag ihn trotzdem.«
Wenn Herwodis staunte, ließ sie sich nichts anmerken. Sie sah ihren Sohn nur ruhig an und fragte: »Und woher weißt du das?«
»Ich bin ihnen unterwegs in einem Gasthaus begegnet. Ich habe so getan, als sei ich Regins Lehrjunge. Niemand außer Hagen hat mich erkannt, und er versprach, mich nicht zu verraten.« Sigfrid legte erschrocken die Hand auf den Mund und murmelte: »Und ich sollte auch schweigen...«
Vor Verlegenheit wurde er rot und sah seine Mutter bittend an. »Aber du wirst es niemandem sagen, nicht wahr?«
»Ein Geheimnis, das mehr als einer kennt...« »Ist kein Geheimnis mehr..., ich weiß.«
»Du mußt einsehen, daß so ein harmloser Spaß großen Schaden anrichten kann, wenn du jedem davon erzählst«, sagte Herwodis. »Hagen war auch der Meinung, daß es ein Geheimnis bleiben sollte«, erwiderte Sigfrid. »Aber ich verstehe das nicht..., auch Regin wollte, daß ich niemandem sage, wer ich bin. Dann verschwand er von der Bildfläche und hielt sich versteckt, als die Burgunder erschienen. Was für ein Schaden soll denn
daraus entstehen? Es war doch nur ein Scherz. Ich würde so etwas niemandem übelnehmen.« »Wenn dein ›Scherz‹ bekannt wird, hast du die burgundische Königsfamilie beschämt, denn du hast ihnen einen Streich gespielt. Ihre Ehre ist verletzt, und sie müssen gegen uns kämpfen.«
»Oh . ..« Sigfrid senkte den Kopf und blickte auf den glatten grauen Boden, wo eine lange Fuge zwischen den Steinplatten verlief. Eine Ameise kroch einen unsichtbaren Weg entlang, der aus der Fuge herausführte.
»Sigfrid«, sagte seine Mutter freundlich, »nicht alle Menschen sind so stark oder selbstsicher wie du.« Sie lächelte. »Vergiß das nicht und überlege dir in den nächsten Tagen, was du sagst oder besser verschweigst.«
»Das werde ich tun«, versprach Sigfrid. »Und wo ist Alprecht?«
»Auf der Jagd.« Als Sigfrid aufstehen wollte, legte sie ihm die Hand auf den Arm. »Bleib hier. Wir müssen dafür sorgen, daß du morgen etwas Passendes anzuziehen hast - und als erstes mußt du ein Bad nehmen.«
»Mhmmm«, stöhnte Sigfrid, aber er fügte sich.
*
Sigfrid saß mit König Alprecht und seinem Gefolge in der Halle. Das Mittagessen sollte aufgetragen werden, als der Ruf der langen Messinghörner - Geschenke der Römer -Fremde ankündigte. Alprecht erhob sich ohne
Eile und bedeutete seinen Leuten, ihm hinaus vor die Halle zu folgen. Die Krieger trugen ihre mit Friedensbändern umwundenen Schwerter und zum Zeichen, daß sie den Burgundern vertrauten, keine Kettenhemden. Sigfrid freute sich über eine neue rote, bestickte Tunika, an der seine Mutter mit ihren Mägden die halbe Nacht
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