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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Harifax liebevoll über die seidige Mähne. »Du bist wirklich ein schönes Pferd«, flüsterte sie, »du bist sehr viel schöner als unsere kleinen Steppenpferde. Wollen wir jetzt schneller laufen?«
    »Nein!« rief Hagen, »ohne Zaumzeug darfst du das nicht...« Er sah sie streng an. Gudrun wurde rot und schlug die Augen nieder. »Außerdem bin ich jetzt an der Reihe.«
    Gunter half Gudrun beim Absitzen, und Hagen trat vor die Stute, die vorsichtig die Nüstern blähte. Er wich ihrem Kopf aus, als fürchte er, gebissen zu werden, und sprang mit einem Satz auf ihren Rücken. Harifax erstarrte. Dann hob sie den Kopf und verdrehte die Augen, so daß man das Weiße sah. Sie schnaubte und schlug mit dem Vorderhuf auf den Boden. Als Hagen die Oberschenkel fest an ihren Leib preßte, fiel sie aus dem Stand in schnellen Galopp. Staub wirbelte auf, als sie um die Koppel jagte. Hagen klammerte sich mit bleichem Gesicht an ihre Mähne. Sigfrid verblüffte die plötzliche Wildheit, die Hagen ungewollt entfesselt hatte, und er starrte wie gebannt auf Pferd und Reiter. Das Donnern der Hufe übertönte Gudruns und Gunters ängstliches Rufen. Sigfrid schüttelte seine Betäubung ab, als er sah, daß die Stute ihre Kraft für einen Sprung sammelte, der sie über die hohen Palisaden tragen würde - oder auch nicht. Ohne nachzudenken, sprang er vor den Zaun und versperrte ihr den Weg. »Halt!« rief er so laut er konnte und hob die Hände. Seine helle Stimme klang wie ein Peitschenknall. Harifax blieb wie angewurzelt stehen, und Hagen flog in hohem Bogen über ihren Hals. Aber er fiel geschickt und war im nächsten Augenblick wieder auf den Beinen. Sigfrid legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. Bei der Berührung durchzuckte ihn der rasende Pulsschlag einer namenlosen, doch vertrauten Wildheit. Wie vom Blitz getroffen, starrte Sigfrid in die dunklen, kalt leuchtenden Augen des Burgunders, der seine Hand abschüttelte, sich stumm umdrehte und zu Gunter und Gudrun ging.
    »Was hast du denn mit ihr gemacht?« fragte Gunter aufgeregt, während Gudrun zu Sigfrid lief und rief: »Warum ist sie durchgegangen?« »Vermutlich hat er ihr die Fersen irgendwie falsch in die Flanke gestoßen ...«, antwortete Sigfrid langsam. »Auf so etwas reagiert sie sehr empfindlich... Alles in Ordnung, Hagen?«
    »Ja.«
    »Dann könnten wir doch jetzt zurück zur Halle gehen. Ihr habt sicher auch Hunger. Bis zum Festmahl heute abend dauert es noch lange. Wir werden uns etwas im Küchenhaus holen.« »Ja, ich habe großen Hunger«, erklärte Gudrun, »schließlich mußte ich mich beim Mittagessen zurückhalten...« Sie blickte vorwurfsvoll auf Gunter und dann auf Sigfrid. Plötzlich bekam sie große Augen. Das Blut wich ihr aus dem Gesicht, und dann wurde sie rot. Sie sah an Sigfrid vorbei und verneigte sich.
    Sigfrid drehte sich verblüfft um. Hinter ihm stand groß und hager wie ein alter Baum unter dem blassen Himmel der Sinwist. Die milchigen Augen des Alten richteten sich unverwandt auf Sigfrid. Dann machte er eine für Sigfrid unverständliche Geste. Sigfrid hob die Schultern und fragte: »Was willst du von mir?«
    »Das Zelt ist aufgestellt«, erwiderte der Sinwist mit seiner tragenden Stimme. Sigfrid hatte das Gefühl, daß ihr Klang weiter reichte, als er hören konnte, und sich wie Wurzeln in der Erde tief im weiten Raum verankerte. »Komm mit mir.«
    »Warum?« fragte Sigfrid mutig. »Was willst du von mir?«
    »Vor der Verlobung muß ich den Willen der Götter und Geister erkunden. Alle, die unsere Sippe beschützen und vor Unheil bewahren, seit wir den Norden verlassen haben, dürfen nicht mißachtet werden, denn sonst wird unser königliches Geschlecht aussterben und unser Volk untergehen.« Der Sinwist legte Sigfrid die Hand auf die Schulter. So leicht sie auch war, Sigfrid wußte, er würde diese Hand nicht so leicht abschütteln können. Aber er beugte sich nicht der Kraft des Sinwist, sondern folgte dem alten Mann, weil er hoffte, etwas Wichtiges von ihm zu erfahren.
    Das kleine Zelt des Sinwist stand in einiger Entfernung von Alprechts Halle im Wald, verborgen zwischen dichten Büschen und Bäumen. Von weitem hätte man glauben können, es handle sich um einen liegenden Hirsch oder einen Auerochsen. Aus der Zeltklappe stieg dünner Rauch empor. Beim Näherkommen sah Sigfrid an den Ecken vier weiße Schädel. Zwei Pferdeschädel starrten ihn aus hohlen Augenhöhlen an, und auch die Schädel zweier Eber mit spitzen, gebogenen Hauern

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