Rheingold
Schweißflecken. Alprechts breites Gesicht glänzte rot, und die Haare klebten ihm an der Stirn.
»Schon wieder dieser kleine Hengst«, sagte Alprecht schwer atmend, als er Sigfrid sah, »er ist wieder einmal ausgebrochen... war bei den Stuten. Kaum zu glauben. Er hat bereits versucht, sie zu besteigen.«
»Aber du willst ihn doch ohnehin zur Zucht benutzen oder?« fragte Sigfrid.
»Nein... nicht solange wir nicht wissen, ob er sich einreiten läßt. Was nutzt eine Blutlinie, die nicht geritten oder abgerichtet werden kann? Mit Harifax hatten wir schon Schwierigkeiten genug, aber dieses Untier...« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und seufzte. »Nun ja, er ist noch jung. Ach, hast du deine Mutter gesehen?«
»Nein.«
»Ich werde sie schon finden...«
Alprecht ging weiter zur Halle, und Sigfrid rannte zu der großen Koppel wo die Jährlinge noch wild und nicht eingeritten - weideten. Er sah das Fohlen von Harifax schon von weitem; es war größer als die meisten Jährlinge; mit seinem tiefen breiten Brustkorb und den langen Beinen fiel es sofort auf. Das Fohlen lief ruhelos wie ein gefangener Wolf um die Koppel. Hin und wieder stieg es und schlug mit den Vorderhufen in die Luft. Der junge Hengst hatte ein dunkelgraues Fell - für die Alemannen war es die »Sturmfarbe« -, eine silberne Mähne und einen silbernen Schweif. Niemand konnte sich lange genug in seine Nähe wagen, um es zu striegeln, aber das Fell glänzte vor Kraft und Gesundheit. Sigfrid ballte die Fäuste und drehte sich um. Er warf einen Blick auf den grasbewachsenen Grabhügel vor den Winterställen, unter dem Harifax lag, und lief in den Wald.
Er folgte dem schmalen gewundenen Pfad zwischen den hohen Eichen und Eschen. Über ihm raschelten die Blätter leise im Wind. Ein junges Reh sprang vor ihm über den Pfad, drehte den Kopf und sah Sigfrid erschrocken an, ehe es im Gestrüpp verschwand. Es dauerte nicht lange, bis Sigfrid einen zerklüfteten grauen Felsen unterhalb eines Hügels sah und schon von weitem das rhythmische Hämmern von Metall auf Stein hörte.
Regin hielt die Speerspitze, die er gerade bearbeitete, in die Flammen und trat den Blasebalg, als Sigfrid den Waldrand erreichte und im Eingang der Höhle erschien. »Kann ich dir helfen?« fragte er. »Nein.«
»Warum nicht?«
»Du trittst den Blasebalg zu schnell, und dabei geht er entweder kaputt oder das Metall schmilzt. Du hast sicher etwas Besseres zu tun.«
»Und das wäre?«
»All das, was ein Edelmann tun muß.«
»Ich kann nicht in die Schlacht ziehen, denn wir haben keinen Krieg«, erwiderte Sigfrid. »Niemand will mit mir kämpfen oder ringen, und ich gehe Tag für Tag auf die Jagd. Was gibt es für einen Edelmann sonst noch zu tun?«
»Wenn das alles ist...«, brummte Regin. Er nahm die Speerspitze aus dem Feuer und legte sie wieder auf den großen Stein. Mit leichten Hammerschlägen entlang der Ränder brachte er sie in die Form eines ovalen stählernen Blattes. Dabei musterte er Sigfrid mißbilligend von oben bis unten und zog die dichten Augenbrauen zusammen, bis zwei tiefe Falten die rußige Stirn teilten. »Du kleidest dich nicht einmal wie ein Edelmann. Du läufst ohne Schuhe herum wie der Sohn eines armen Bauern oder eines Unfreien. Und du hast keine Ahnung, wieviel Gold du besitzt... oder besitzen könntest.«
»Was redest du da?« fragte Sigfrid gereizt.
Regin legte die Speerspitze wieder ins Feuer und warf ein paar Stücke Holzkohle in die Flammen. »Weißt du, wie reich dein Vater war, als er starb?«
»Na ja...« Sigfrid wußte, daß seine Mutter ein-oder zweimal von einem Schatz gesprochen hatte, der ihm gehören würde, wenn er erwachsen war. Dunkel stiegen Bilder in ihm auf - von Gold und Silber, von Fellen und kostbaren Stoffen in schweren Truhen, die in einer Dornenhecke standen. Aber es war alles zu nebelhaft und verschwommen, um etwas darüber sagen zu können. »Nein...«, gestand er schließlich. »Weißt du, wo der Schatz jetzt ist?« »Mutter sagt... Alprecht und Chilpirich bewahren ihn für mich auf.«
»Und damit gibst du dich zufrieden? Möchtest du nicht etwas davon haben?«
»Sie geben mir alles, was ich will. Warum sollte ich mehr wollen? Ich bin sicher, sie können besser damit umgehen als ich.«
»Ha!« rief Regin, »ein Schatz, mit dem du Schiffe kaufen und einen Trupp Krieger um dich scharen könntest. Dazu braucht ein Edelmann Gold! Stell dir vor, wie du den Rhein hinunterfahren könntest... nach Gallien oder
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