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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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sehr wohl, daß unsere jungen Gefolgsleute nach den langen Jahren des Friedens wieder kämpfen wollen.«
    Sigfrid beugte sich vor und küßte seine Mutter sanft auf die Stirn. »Danke, Mutter. Ich weiß, daß dein Schmerz und deine Trauer in dem zerbrochenen Schwert weiterleben. Keine Braut war ihrem Marin so treu wie du Sigmund. Du hast sein Vertrauen nicht enttäuscht. Ich schwöre dir, jetzt soll nicht mehr viel Zeit vergehen, bis Lingwes Blut fließt und mein Vater gerächt ist.«
    Vorsichtig nahm Herwodis den Deckel von der schmalen Holzkiste. Im Kasten lag ein dunkles Stoffbündel, das sie stumm ihrem Sohn reichte. Sigfrid schlug den Stoff zurück, und seine Finger legten sich um einen dick eingefetteten Schwertgriff. Er spürte den glatten Kristall in der Handfläche. Bei der ersten Berührung zuckte ein kalter Blitz durch seinen ganzen Körper, der als gleißende Flamme auch in seinem Kopf loderte. »GRAM!«
    Das Echo seines Rufs schien in endlosen Wellen durch unsichtbare Hallen getragen zu werden. Als er das zerbrochene Schwert herauszog, zerschnitt es das Leinen, in dem es seit der Schicksalsschlacht geruht hatte.
    An der Bruchstelle war die Klinge so verbogen, daß der gewundene Drache wie von starkem Feuer verkohlt wirkte. Sigfrid nahm langsam die andere Hälfte aus dem Tuch. Auch sie war verbogen und schwarz verfärbt. Die übermenschliche Kraft der Klinge schoß durch seine Arme, und er spürte ein schmerzliches Kribbeln, als seien sie eingeschlafen und das Blut würde plötzlich wieder strömen. Lange blieb er regungslos stehen und wagte nicht zu atmen. Er blickte auf das zerbrochene Schwert seines Vaters, bis er es nur noch als Schatten in dem dunklen Raum wahrnahm.

    *

    Vor der Halle stand Regin und wartete auf sie. Er packte Sigfrid am Arm und zog ihn beiseite, während Herwodis hineinging. »Hast du, was du gesucht hast?« fragte er zischend. »Ich habe es.«
    »Laß es mich sehen.«
    Widerwillig reichte ihm Sigfrid das zerbrochene Schwert. Regin schlug das Tuch zurück und betrachtete die beiden Stücke aufmerksam. Seine Augen leuchteten rot in der Dunkelheit, als er mit den Fingerspitzen über das zerbrochene Metall fuhr. »Geh schlafen«, sagte er schließlich zu Sigfrid, »du mußt morgen lange vor Sonnenaufgang zur Stelle sein. Wir beginnen mit der Arbeit, wenn die Dämmerung anbricht.«
    »Wir?« fragte Sigfrid überrascht. Er nahm die Schwertstücke wieder an sich und wickelte sie behutsam ein.
    »Ich kenne dieses Metall«, erwiderte Regin knapp. »Es ist eine Art Sterneneisen und für mich allein zu hart. Ich glaube, bei dieser Arbeit kannst du ausnahmsweise deine ganze Kraft einsetzen, ohne großen Schaden anzurichten.«

    *

    Als Sigfrid erwachte, war es noch dunkel. Er schlug die Augen auf und sah Regin neben seinem Lager. Schnell schob er die Decken zurück, ohne das Schwert loszulassen, das er die ganze Nacht an sich gedrückt hatte. Regin
    reichte Sigfrid einen klirrenden Sack mit Werkzeug und nahm einen zweiten über die Schulter. Ohne die schlafenden Männer zu stören, verließen sie die Halle. Am Himmel waren keine Sterne zu sehen. Nur weißer Schnee glänzte in großen fahlen Flecken in der Dunkelheit. Es war sehr viel kälter als am Vortag. Der Frost drang durch Sigfrids Umhang, während er Regin schweigend auf dem langen gewundenen Pfad durch die Tannen auf einen der Berge folgte. Dort stand eine Steinhütte, die dem Zwerg als Schmiede diente, wenn er sich in Chilpirichs Land aufhielt.
    Regin atmete heftig nach dem Aufstieg, aber er sprach nicht, als er die klirrenden Werkzeuge auf dem großen Granitblock in der Mitte der Hütte ausbreitete. Aus dem kleineren Sack nahm Regin Holzkohle und Späne und bereitete sie in der mit Stein gefaßten Esse zum Anzünden vor. Ein leichter Wind blies durch die offene Tür und die Ritzen der Wände. Bei dem eisigen Hauch lief Sigfrid plötzlich ein Schauer über den Rücken.
    Regin deutete auf das verschnürte Bündel in Sigfrids Hand, und seine Augen begannen seltsam zu leuchten. »Warum entzündest du nicht das Feuer?« fragte Regin heiser. Sigfrid sah sich auf der Suche nach Feuerstein und Stahl in der Hütte um, aber er fand nichts. »Womit?« fragte er. »Sieh im Sack nach.«
    Sigfrid tastete mit vor Kälte starren Fingern im Sack, fand aber nur zwei runde Holzstäbe und
    ein flaches Stück Holz mit einer leichten Höhlung in der Mitte. Eines der Hölzer war mit einer Sehne gespannt wie ein winziger Eibenholzbogen. Das andere hatte an

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