Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
Vom Netzwerk:
seine Mutter strahlend an. »Mach dir keine Sorgen. Ich werde alles in Ordnung bringen. Du kannst dich auf mich verlassen.«
    Herwodis lächelte, aber ihre hochgezogenen dunklen Brauen über den traurigen Augen verrieten Sigfrid, daß sie noch immer sehr aufgewühlt war.

    *

    Die Wolken zogen sich zusammen. Als Sigfrid die Höhle erreichte, war der Himmel dunkelgrau, und die ersten Schneeflocken fielen. Das Tor der Schmiede war geschlossen. Sigfrid klopfte, aber nichts regte sich.
    »Regin?« rief er, »Regin, ich bin es!« Der Schmied gab keine Antwort.
    »Bist du da? Regin, komm doch heraus und sag etwas. Ich weiß, du bist wütend auf mich. Es tut mir wirklich leid. Ich bin gekommen, um mich bei dir zu entschuldigen.«
    Nach einer Weile hörte er die tiefe heisere Stimme: »Geh...«
    »Regin«, rief Sigfrid schmeichelnd, »komm, laß mich hinein. Ich möchte mit dir reden. Bitte ...«
    »Geh.«
    »Kommst du heute abend zum Julfest?« »Nein.«
    »Meine Mutter wird mir große Vorwürfe machen, wenn du nicht kommst.«
    »Recht so.«
    »Regin, es tut mir wirklich leid. Ich wollte nicht...« Das Tor ging auf. Regin hatte sich bereits umgedreht und schlurfte zurück zum Feuer.
    Sigfrid bückte sich und trat ein. Er setzte sich mit gekreuzten Beinen und dem Rücken zum Feuer vor Regins Hocker auf den Boden. Erhitzt vom schnellen Lauf durch den Wald, zog er den Umhang über den Kopf, ohne sich die Mühe zu machen, die Spange zu lösen. Der Zwerg sah Sigfrid böse an.
    »Was hast du also zu deiner Entschuldigung zu sagen?« fragte er gereizt. »Nein, schweig lieber, wenn du so weitermachst, wirst du es eines Tages vielleicht bereuen, daß du das Schwert zerbrochen hast... es war das Schwert
    eines echten Helden, auch wenn du nicht weißt, was das ist.«
    »Kannst du mir verzeihen?« fragte Sigfrid leise. »Darauf kommt es nicht an«, erwiderte Regin. Er verschränkte die dicken Arme über der breiten Brust und saß wie ein Fels vor Sigfrid. »Aber wenn ich mich darauf verlassen kann, daß du meine Ratschläge befolgst, dann wird vielleicht doch noch alles gut ausgehen.«
    »Was soll schon schiefgehen?«
    Regin wiegte langsam den Kopf. »Dummer Junge«, murmelte er. »Na gut, wir werden ja sehen.«
    »Bist du bereit, mir ein anderes Schwert zu schmieden?« Sigfrid sah, wie der Zorn in den Augen des Zwergs aufflammte, und machte sich auf alles gefaßt, aber nichts geschah. Nach einer Weile sagte Regin entschieden: »Heute abend werde ich schlafen, und dabei bleibt es. Aber wenn du mich in ein oder zwei Jahren noch einmal fragst, werde ich möglicherweise ja sagen.«
    »In ein oder zwei Jahren?« rief Sigfrid erschrocken, »aber meine Mutter gibt mir die beiden Hälften vom Schwert meines Vaters am nächsten O starafest.«
    Regins Kopf sank auf die Brust, und er hielt die Hände vor das Gesicht. »Geh«, sagte er, und seine Stimme klang müde, »laß mich in Ruhe. Ich muß darüber nachdenken.«
    Sigfrid wartete noch einige Zeit, weil er hoffte, Regin werde noch etwas sagen, aber der Zwerg blieb stumm. Schließlich begann er laut zu schnarchen, und Sigfrid hob ihn vom Stuhl, legte ihn auf das Lager an der Rückwand der Höhle und deckte ihn mit einer dicken Wolldecke zu. Selbst im Schlaf waren Regins Muskeln angespannt, als wappne er sich gegen einen plötzlichen Angriff, aber nach der langen, schweren Arbeit war er so erschöpft, daß er nicht aufwachte.

    *

    Als König Alprecht mit seinem Gefolge zur Halle seines Vaters aufbrach, war es warm. Aber die Luft wurde kälter und kälter, je höher sie in die Berge kamen. Es war der Tag vor dem Ostarafest. Morgen würde der Sommer anfangen, aber noch lag stellenweise Schnee unter den ausladenden Ästen der Tannen, und die Schlammpfützen auf dem Weg hatten braune Eisränder. Sigfrid konnte seine Ungeduld kaum zügeln. Er galoppierte immer wieder voraus und ritt dann etwas langsamer zum Troß zurück. Grani tänzelte wie ein wildes Fohlen von einer Seite des Weges zur anderen Seite, und Sigfrids übermütige Schreie hallten durch die kalte Luft. Regin beobachtete ihn kopfschüttelnd vom Schutz des Wagens aus, wo er in sein Wolfsfell gehüllt saß und wie immer kaum ein Wort sagte. Als Perchte und Chilpirich vor die Halle traten, um ihren Sohn und seine Familie zu begrüßen, bemerkte Sigfrid, daß der alte König den linken Fuß leicht nachzog und der linke Mundwinkel beim Sprechen und Lächeln schlaff herunterhing. Perchte war noch magerer geworden, und die Gelenke ihrer

Weitere Kostenlose Bücher