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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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wahr, die schattenhaft im strömenden Regen neben dem Weg stand, aber er hörte ein lautes Bellen.
    »He!« rief Sigfrid und brachte Grani zum Stehen, »wer bist du?«
    »Ich bin Geitrich, der Ziegenhirt. Aber wer bist du, daß du es wagst, so kühn nach Norden zu reiten? Du mußt ein stolzer Mann sein, denn der Hufschlag deines Pferdes ist lauter als ein ganzer Trupp Krieger.«
    »Du weißt also nicht, wer ich bin? Dann bist du der erste, der mich nicht kennt.«
    Geitrich hustete laut, und Sigfrid hörte ihn ausspucken. »Warum sollte ich jeden kennen, der hier vorbeikommt? Reite weiter, hier hast du nichts zu suchen.«
    Sigfrid beugte sich vom Pferd und bemühte sich, in der Dunkelheit Geitrichs Gesicht zu sehen. »Ich suche die Halle des Drichten Gripir, des Sohnes von Awilimo. Sag mir, wo ich ihn finde, und ich reite weiter. Aber wenn du mich belügst, werde ich dich in Stücke hauen.«
    Der Ziegenhirt lachte laut, und sein Hund knurrte. Als Sigfrid der schlechte Atem des Mannes entgegenschlug, wollte er ihn packen, aber Geitrich wich seinem Griff aus und sprang zurück. »Was willst du vom Drichten Gripir? Mit einem wie dir redet er nicht. Hast du den Gehängten mit dem Wolf nicht gesehen? Du weißt, wie ein Drichten mit seinen Männern umgeht. Er gibt seinem treuen Gefolgsmann ein gutes Pferd, um zu seiner Halle zu reiten.« Der Ziegenhirt lachte spöttisch, aber dann mußte er wieder husten, und er schien dicken Schleim zu spucken. »Ist das hier Gripirs Land?«
    »Das Land gehört Gripir«, erwiderte Geitrich, »oder besser gesagt, er gehört dem Land. Ha, du wirst nie in seine Halle kommen.«
    »Ist Gripir dein Drichten, Ziegenhirt?« fragte Sigfrid ungeduldig. »Bei den Göttern, er wird dich bei lebendigem Leib rösten, wenn er erfährt, daß du versucht hast, den Sohn seiner Schwester aus seinem Land zu vertreiben.«
    »Es ist schon lange her, daß Gripir sich um die Sippe seiner Schwester gekümmert hat, und es ist noch mehr Zeit vergangen, seit sie ihn zum letzten Mal besucht hat«, flüsterte der Ziegenhirt verschlagen. »Hat Herwodis so viele Jahre gebraucht, um sich an ihren Bruder zu erinnern?«
    »Wenn meine Mutter so begrüßt wurde wie ich, dann verstehe ich, daß sie so selten zu Gripirs Halle kommt.«
    Sigfrid sprang von Granis Rücken und versank knöcheltief im Schlamm. Er sah undeutlich, daß Geitrich vor ihm zurückwich, und er hörte das Hecheln des großen Hirtenhundes. Mit einem heftigen Ruck zog er den rechten Fuß aus dem Matsch und trat nach dem Hund, der ihm an die Kehle springen wollte. Der Hund landete mit einem dumpfen Klatschen auf dem Boden. Sigfrid machte einen Satz vorwärts und packte den verblüfften Geitrich am Hals. Der faulige Gestank des Ziegenhirts ließ Sigfrid angeekelt ausspucken. Er hielt den klapperdürren Mann mit ausgestrecktem Arm weit von sich und spürte, wie der Schlamm in seine Schuhe drang. »So!« rief er grimmig, »willst du mir jetzt Auskunft geben? Du bist vielleicht kein guter Führer, aber ich habe keinen besseren. Deshalb werde ich dich nicht loslassen, bis ich vor Gripirs Halle stehe.«
    »Du bist vom Weg abgekommen«, keuchte der Ziegenhirt, »du hast dich verirrt.«
    Sigfrid lachte. Er zog die Füße aus dem Schlamm und stapfte den Weg zurück, den er glaubte gekommen zu sein. Geitrich schleppte er hinter sich her. Das Gehen durch die aufgeweichte Erde erschöpfte ihn, aber er kämpfte sich unbeirrt weiter, bis er schließlich auf einen Pflasterstein trat. Er brummte zufrieden, als der Schlamm fester wurde.
    »Granit« rief er. Der Hengst wieherte, und im nächsten Augenblick stieß er gegen Sigfrid, der auf seinen Rücken kletterte, ohne Geitrichs Hals loszulassen. Als er oben saß, packte er den seltsamen Ziegenhirt an den knöchernen Schultern und zog ihn ebenfalls auf das Pferd. »Vorwärts«, flüsterte Geitrich, »wenn du lange genug auf diesem Weg bleibst, dann kommst du vielleicht zu Gripirs Halle.«
    »Vielleicht? Wenn wir die Halle nicht erreichen, dann ist es um dich geschehen!«
    Ein heftiger Windstoß trieb Sigfrid die nassen Haare ins Gesicht. Dicke Regentropfen trommelten eisig wie Hagel auf seinen Kopf. Er preßte die Knie fest gegen Granis Flanken und spürte, wie das Pferd die starken Muskeln spannte und ihn und seine Last rasch vorwärts trug. Granis Hufe schleuderten nasse Erdklumpen auf. Der große Hirtenhund folgte ihnen wie ein schwarzes Gespenst durch die Dunkelheit. Ein Blitz zuckte grell. Geitrichs Kopf hing leblos

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