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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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er, daß sie bereits im Westen dem Horizont entgegen sank. Er blinzelte, weil ihn das Licht blendete. »Kämpfe nie gegen die Strahlen der Schwester des Monds«, hörte er Fjölnirs mahnende Worte. Sigfrid gab seinen Leuten ein Zeichen, und der Keil schwenkte mit unerbittlicher Schlagkraft in die Flanke der Feinde, bis Sigfrid und seine Männer mit der Sonne im Rücken kämpften. Bald sah Sigfrid mit großer Genugtuung, daß die Gegner in kleinen Gruppen auf der Ebene verteilt waren und angesichts ihrer großen Verluste in Panik gerieten. Jetzt gab er das verabredete Signal. Der Keil teilte sich in zwei lange Reihen, und seine Krieger begannen, die verunsicherten und geschwächten Feinde in einem weiten Bogen zu umzingeln. Sigfrid überblickte das Schlachtfeld. Das Hundekopf-Banner flatterte nicht weit vor ihm. Der Anführer, der sich inmitten seiner Brüder und ihrer Söhne offenbar sicher wähnte, nahm den Helm ab. Sigfrid sah graue Haare, eine schmale, gebogene Nase und blaugrüne Augen. Das mußte Lingwe sein. Der Mann setzte das Horn an die dünnen Lippen, um die versprengte Streitmacht um sich zu versammeln. »Lingwe!« rief Sigfrid mit klarer, heller Stimme. »Lingwe! Siehst du mich? Nicht alle Wälsungen sind tot! Hier bin ich! Hast du seit Sigmunds Tod noch immer nicht gelernt, mutig zu sein?«
    »Du wirst sterben wie er!« rief Lingwe zurück. Er hob die Hand. Der Lärm und das Geschrei der Schlacht verstummten plötzlich. Vor ihnen teilten sich die Reihen. Zwischen Sigfrid und Lingwe entstand ein von Schwertern gesäumter freier Platz. Als Sigfrid auf seinen Feind zurannte, riß die Wolkendecke auf, und ihre schrägen Strahlen fielen auf Lingwe, der geblendet die Hand über die Augen legte. Ein blitzender Speer zischte durch die Luft und durchbohrte seinen Leib. Lingwe stürzte zu Boden, als Sigfrid ihn erreichte. Er hob den blutenden Lingwe mit der linken Hand hoch und hielt ihn als Schild vor sich, während er Gram in der rechten kreisen ließ, um alle aus Hundings Geschlecht zu erschlagen, die sich um Lingwe versammelt hatten und sich jetzt auf ihn stürzten. Als letzter fiel der Bannerträger. Sigfrid stieß das Schwert in die Fahnenstange, als sie der Hand des sterbenden Mannes entfiel. Er hielt das Banner mit dem Hundekopf hoch, damit alle es sahen. Dann warf er es auf den mit Blut getränkten Boden.
    »Lingwe ist tot!« rief jemand. Es kam noch einmal zu einem wilden Kampf, aber auch die letzten Gefolgsleute Lingwes wurden schließlich von Sigfrids Kriegern überwältigt. Der Kampf ebbte ab. Sigfrid legte den bewußtlosen Lingwe auf die Erde, setzte das Horn seines Vaters an die Lippen und stieß dreimal hinein. Die Töne verhallten unter dem Stöhnen der Verwundeten. Sigfrids Männer begannen, sich um ihn zu sammeln. Hildkar hatte erschöpft das Banner sinken lassen, aber als er jetzt neben seinen Drichten trat, hielt er es wieder hoch in die Luft.
    »Ich glaube ... du hattest recht«, keuchte er außer Atem. »Ich wußte, daß wir siegen würden«, sagte Sigfrid. Er war heiser, und seine Kehle war wund und rauh.
    »Sieg... wahrhaftig Sieg!« rief Hildkar und schwenkte das Banner der Wälsungen.
    Sigfrid hob den Kopf, kniff die Augen zusammen und versuchte, seine Männer zu zählen, die langsam über das Schlachtfeld kamen. Am Himmel kreisten die Raben, und ein paar glitten bereits zu den Toten hinunter. Die hungrigen Vögel wirkten in der blassen Nachmittagssonne wie große schwarze Blätter. Sigfrid wartete, bis alle Überlebenden sich um ihn scharten und er feststellen konnte, wer fehlte. Er sah Perchtwin, Harprecht und Ansbrand; Teodipalt war da, auch Kunitrut, obwohl er sich vor Schmerzen krümmte und auf seinen Speerschaft stützen mußte. Sigfrid rieb sich erstaunt die Augen. Es kamen immer mehr, und nur wenige schienen zu fehlen. In der geschlossenen Formation des Keils hatten sie wie durch ein Wunder fast alle überlebt. Als kleiner Trupp waren sie für die vielen Feinde unbezwingbar gewesen. Und das hatten sie Fjölnirs göttlichem Rat zu verdanken.
    »Alle Verletzten bleiben, wo sie sind und halten sich ruhig«, befahl er. »Die anderen sehen nach, ob von unseren Gefallenen jemand zu retten ist, und sorgen dafür, daß keiner von den Verwundeten des Gegners am Leben bleibt.«
    »Was tun wir, wenn jemandem nicht mehr zu helfen ist?« fragte Anshelm mit krächzender Stimme. »Sollen wir... ?« Sigfrid nickte knapp. »Wir versammeln uns alle in Lingwes Halle!« Er hob den bewußtlosen

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