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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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glaubte, ein Unbehagen in ihren Gesichtern zu entdecken. »Was ist? Was ist los?«
    Alprecht biß sich auf die Lippen und starrte auf die Steinplatten unter seinen Füßen. Herwodis sah ihren Sohn nachdenklich und ruhig an, wie er es seit frühester Kindheit kannte.
    »Hat Regin je mit dir über Krimhild gesprochen? Ich glaube, er wäre in der Lage gewesen, dir solche Dinge besser zu erklären als ich«, sagte sie schließlich. »Er hat mich einmal vor ihr gewarnt«, antwortete Sigfrid und dachte an die Schwalbe in der Nähe der Grenze ihrer beider Länder. Bei der Erinnerung durchzuckte ihn ein Schauer, als habe ihm jemand eiskaltes Wasser über den Kopf geschüttet. Er sah wieder die zornigen Augen des Zwergs vor sich und auch die goldenen Münzen auf den versteinerten Lidern. »Hoffentlich vergißt du seine Warnung nicht«, sagte Alprecht und seufzte. »Vielleicht ist es doch besser, wenn du nach der Hochzeit zurückkommst?«
    »Warum?«
    »Weil... nun ja, denk daran, was Regin über sie
    gesagt hat. Abgesehen davon, was Regin befürchtete, kann man von Krimhild erwarten, daß sie dich für ihre Absichten benutzt und früher oder später zum Wohl ihrer Kinder opfert«, antwortete Herwodis. »Ich zweifle nicht daran, daß Gunter ehrbar ist und der Rat seiner Mutter ihm nutzt. Aber im Reich der Burgunder mußt du um deinetwillen sehr vorsichtig sein.«
    »Was habe ich denn zu befürchten?«
    »Sigfrid, du vertraust anderen, weil du selbst ehrlich und aufrichtig bist, aber ich glaube, du verstehst nicht die Angst oder die Eifersucht anderer, weil du beides nie gekannt hast. Ich würde mir keine Gedanken um dich machen, wenn du mit deinem Schwert in einen Kampf zögest, mein Sohn. Aber bei den Intrigen der Menschen um Macht wird dir vermutlich deine Kraft wenig helfen. Dazu brauchst du andere Talente.« Sie lächelte ihn freundlich an. »Sigfrid, wenn du bei den Burgundern bleiben möchtest, muß dir bewußt sein, daß Krimhild in dir immer eine Bedrohung für ihren Sohn sieht. Sie wird alles tun, was in ihren Kräften steht, damit du ihr gefügig bist.«
    »Wieso kann ich für Gunter eine Bedrohung sein?« fragte Sigfrid verwirrt. »Er ist König und ist seit Jahren ein guter König. Ich möchte nicht an seiner Stelle sein, selbst wenn ich das könnte.«
    »Aber du bist jetzt der Drachentöter, und alle halten dich für den größten Helden«, erwiderte Herwodis sanft. »Der beste Schutz wäre, wenn du mit deiner Braut hier leben würdest. Denk
    zumindest ernsthaft darüber nach.« Sie legte ihm die Hand auf die Schulter, als er aufstehen wollte. »Nein, bleib hier und iß in aller Ruhe. Wir können später noch einmal darüber sprechen, wenn du willst. Aber jetzt mußt du uns von Gallien erzählen. Was ist das für ein Land, und was leben dort für Menschen?«

    *

    Als Sigfrid später die Halle verließ, wußte er nicht so recht, was er tun sollte. Ohne es zu bemerken, folgte er dem Wasserlauf in den Wald und bog dann auf dem Pfad zu Regins Höhle ab. Als ihm das bewußt wurde, kehrte er kopfschüttelnd um, setzte sich ans Ufer und ließ die Beine ins Wasser baumeln.
    Nach einer Weile glaubte er Worte in dem Zwitschern der Vögel zu verstehen. Er seufzte und schloß die Augen. »Wo ist Regin? Wo ist Regin? Wo ist Regin?« rief ein Specht. »Er ist zu Stein geworden, zu einem Felsen«, antwortete ein Kuckuck, »zu Stein, zu Stein geworden...«
    »Warum hat Sigfrid ihn so schnell vergessen?« fragte ein anderer Vogel in den Zweigen über ihm.
    »Warum trägt er Andvaris Ring? Wo ist Brünhild, die er heiraten soll?«
    »Sie denkt an ihn Tag und Nacht. Sie ist krank vor Kummer, seit er sie verlassen hat.«
    »Mach das Unrecht wieder gut, wieder gut, wieder gut«, rief der Kuckuck tiefer im Wald.
    »Sonst bist du verloren, verloren, verloren«, rief der Specht. Sigfrid hielt sich mit den Händen die Ohren zu und schüttelte den Kopf, als würde ihn ein Schwarm Hornissen umschwirren. Als er die Augen aufschlug, hörte er die Vögel wieder zwitschern und wie immer singen und rufen. Er sprang von Unruhe erfaßt auf und lief zu Regins Hügel. Der Abhang schien unverändert, und auch der Eingang der Höhle war noch da. Aber das schwere Holztor, wo er so oft gewartet hatte, fehlte. Die steinerne Öffnung klaffte dunkel wie ein graues Gerippe, als er in die Höhle blickte. Sigfrid lief zur Anhöhe hinauf, legte die Hände auf den kalten Stein und lauschte. Er erwartete fast, Regins brummige Stimme zu hören oder das Klirren

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