Rheingold
deinem Volk von deiner Heldentat, damit sie deine Hochzeit mit Brünhild vorbereiten ... und meine mit Gudrun.«
»Kannst du schwören, daß du an allem schuldlos bist?« fragte Hagen und tauchte aus dem Nebel auf. Er saß auf dem Pferd und hielt den Wurfspeer in der Hand. Der Speer war keine Bedrohung für Sigfrid, aber es hatte den Anschein, als werde ihn Hagen im nächsten Augenblick losschleudern. »Schwöre, daß dich an Brünhild kein Eid und kein Versprechen bindet! Schwöre, daß du keinen Anspruch auf sie erheben wirst und daß sie auch keinen Anspruch auf dich erheben kann!«
»Das schwöre ich gern!« erwiderte Sigfrid. Hagen ritt näher an ihn heran, so daß die Speerspitze fast vor Sigfrids Brust war. Kalte graue Tropfen flossen über den geölten Stahl, als Sigfrid seine rechte Hand auf die Speerspitze legte.
»Blitzender Speer, heilige Waffe, ich schwöre diesen Eid. Höre mich, Wotan, du Gott meines Vaters, und sei mein Richter! Ich schwöre, daß ich Brünhild nie geliebt noch mich ihr als Bräutigam verlobt habe. Ich schwöre, daß mein Leib und meine Seele nichts an sie bindet. Wenn ich einen Meineid geschworen habe, dann soll dieser Speer mich durchbohren, dann soll die Sippe der Wälsungen, Wotans Kinder, ein grausames Ende finden!«
Hagen blickte Sigfrid mit dem einen Auge lange schweigend an.
Dann wandte er den Kopf. »Bist du zufrieden?« fragte er Brünhild.
»Sigfrid hat einen Eid geschworen, wie ich ihn eindeutiger nicht hätte verlangen können.«
»Er hat seinen Untergang verdient«, antwortete sie leise. Dann rief sie: »Komm, Gunter! Reite mit mir zur Halle meines Vaters, und ich werde mir meine Mitgift geben lassen. Diese beiden sollen tun, was sie wollen. Ich möchte sie nicht in meiner Nähe haben.«
»Brünhild ...«, widersprach Gunter und ritt zu ihr, »Hagen ist mein Bruder, und Sigfrid habe ich Blutsbrüderschaft geschworen. Vergiß das nie und achte sie als meine Brüder. Ich möchte Frieden in meiner Halle haben.«
»Ich reite zurück«, erklärte Sigfrid, »lebt wohl, Gunter, Hagen und Brünhild. Wir sehen uns wieder, wenn ihr in Worms angekommen seid.« Er lenkte seinen grauen Hengst nach Norden und ritt davon. Die Umrisse der drei Zurückgebliebenen verschwanden im Nebel.
3
DIE DOPPELHOCHZEIT
Die Sommersonne brannte auf Sigfrids Rücken, als er hinauf zu Alprechts Halle ritt, aber der Wind aus den Bergen war so erfrischend kühl wie ein schnell dahinfließender Bach. Grani trabte munter an den Koppeln der alemannischen Pferde vorbei, hob immer wieder den Kopf und schnaubte in den Wind. Sigfrid mußte den Hengst mit energischem Schenkeldruck von den Weiden der jungen Stuten fernhalten.
»Noch nicht!« rief er und klopfte ihm den Hals, als sie sich der Halle näherten. Neugierig blickte er auf die großen neuen Stallungen. Grani lief wie selbstverständlich zu seinem gewohnten Platz. »Du bist also wieder zurück?« begrüßte ihn Rodkar am Stalltor. »Du hast dir wirklich viel Zeit gelassen. Komm, ich versorge ihn. Herwodis und Alprecht möchten dich sofort sehen. Ich glaube, sie haben Neuigkeiten für dich.«
»Was für Neuigkeiten?« fragte Sigfrid und glitt von Granis Rücken. »War ein Bote aus Worms hier? Ist etwas mit Gudrun?« Er nahm Grani Sattel und Zaumzeug ab und brachte die Sachen zu den leeren Haken, die ihm vorbehalten waren.
Rodkar lachte anzüglich. »Lange wird es vermutlich bei ihr nicht mehr dauern.« Er hustete und spuckte zielsicher ins Freie. »Im Augenblick jedoch hoffe ich, daß Gudrun wohlauf ist.«
Rodkar sah, wie Grani die Mähne schüttelte, mit den Vorderhufen scharrte und die Nüstern blähte. »Was meinst du? Ich glaube, wir sollten ihn zu den rossigen Stuten lassen. Ich kann ihn ohnedies nicht daran hindern, wenn er ausbrechen will, und einen besseren Deckhengst haben wir bestimmt nicht...«
»Granit« rief Sigfrid. »Lauf los!«
Kaum hatte Sigfrid das gesagt, als der Hengst den Kopf hob, wieherte und davonstürmte. Das graue Fell schimmerte silbern im Sonnenlicht, als er den Weg hinunter zu den Koppeln der Stuten galoppierte. Sigfrid sah voll Stolz, wie er hoch in die Luft sprang und über den Zaun setzte, als habe er Flügel.
Rodkar schüttelte den Kopf und kratzte den grauen Bart, als würden ihn die Flöhe beißen. »Das gibt es nicht«, murmelte er, »so ein Pferd habe ich noch nie gesehen.« Dann sagte er voll Bewunderung zu Sigfrid: »Ich weiß nicht, wie du ihm das beigebracht hast, aber wir können wirklich froh
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