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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Tür und ließ Sigfrid eintreten. Das Feuer brannte hell im Kamin, und viele Kerzen verbreiteten ein warmes Licht. In Sigfrids betrunkenem Zustand glaubte er, Tausende von Lichtpunkten zu sehen, die zu tanzen anfingen, als die Tür aufging und die Luft über die Flammen fuhr. Gudrun lag bereits im Bett unter dem Laken. Die kleine Katze hatte sich am Fußende einen Platz gesucht und musterte Sigfrid.
    Jemand gab Sigfrid einen Stoß in den Rücken und schob ihn in Richtung Bett. »Jetzt kannst du nicht mehr entfliehen! Wir lassen dich hier erst wieder heraus, wenn der Tag anbricht!« rief Theobalt hinter ihm her.
    Sigfrid ging langsam zu Gudrun, nahm ihr den Goldreif von der Stirn und legte ihn beiseite. Er spürte die zwölf Augenpaare, die vom Gang aus Zeuge seines Tuns waren und damit die Hochzeit endgültig besiegelten. Als die Tür geschlossen wurde, hörte er Hartbrecht rufen: »Lösch die Kerzen, Sigfrid, wenn Gudrun sehen sollte, was du für sie hast, dann rennt sie auf und davon bis in das Land der Dänen!« Drohendes Gelächter erscholl auf diese Bemerkung, und dann hörte er eine helle Frauenstimme: »Wenn er halb so lang ist, wie ich gehört habe, dann würde ich von den Dänen bis hierher zu Fuß laufen, um meine Freude daran zu haben!«
    Jetzt war der lang ersehnte Augenblick gekommen, aber er dachte verzweifelt an Brünhild, an Sigidrifa. Seine Wut und seine Enttäuschung, seine Sehnsucht und sein Verlangen, die verratene Liebe - all das und noch mehr wirbelte wie ein Orkan in ihm, und eine grenzenlose Wut stieg in ihm auf. Sigfrid hatte die Tarnkappe und ihre Wirkung vergessen. Er wollte sich nur noch gehenlassen und wünschte sich, so frei von aller Schuld zu sein wie ein Tier. Er sah sich als Wolf, überließ sich dem Wahn der gierigen dunklen Kräfte, bis alles um ihn herum verschwand. Er wehrte sich nicht mehr, sondern stieß im Rausch der wilden Lust den Laut aus, der aus seiner Kehle drang, den er aber nicht mehr hörte. Gudrun erbleichte, schrak zurück, als er die Hose wegschleuderte und das Laken zurückriß. Sie hob noch die Arme, damit er das weiße Gewand über ihren Kopf ziehen konnte, ließ sie sich von ihm die Beine spreizen, ballte aber wie ein Krieger die Fäuste und bereitete sich auf das vor, was geschehen würde, sie wehrte sich jedoch nicht gegen ihn. Vom Verlangen seines Körpers getrieben stürzte er sich auf sie, aber er fühlte sich dabei so schlecht wie noch nie in seinem Leben. Es war zu spät. Er konnte sich gegen die Macht seiner eigenen Wahnvorstellungen nicht mehr wehren. Sigfrid wurde wie auf den hohen Wogen eines aufgepeitschten Meeres auf und ab geschleudert, er hörte den Mast im heulenden Sturm brechen, der Gudruns schrille Schreie übertönte, während reißende Fluten an ihm zerrten. Er spürte nicht ihre Hände, die gegen seine Schultern drückten, auch nicht ihre Fäuste auf seinen Wangen, aber er sah ihre vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen, die sich plötzlich in einem ohrenbetäubenden Aufschrei schlossen. Gudrun fiel schlaff auf den Rücken, als Sigfrid endlich von ihr abließ. Sie atmete noch, war aber bewußtlos. Ihre Beine lagen in einem seltsamen Winkel, als hätte Sigfrid ihr die Sehnen durchtrennt. Er zitterte so heftig, daß er sich gegen die Wand lehnen mußte, um nicht zu fallen. Er glaubte, sich übergeben zu müssen. Sigfrid riß sich die Tarnkappe vom Kopf. Als sie wieder sichtbar wurde, warf er sie quer durch den Raum. Sie prallte mit einem hellen Klirren gegen die Wand und dann auf den Boden. Die Blutlache unter Gudrun, die im Leinentuch versickerte, wirkte im Kerzenlicht schwarz. Ihr Blut schimmerte dunkel auf Sigfrids erschlaffendem Phallus und verschmierte die weiße Haut seiner Oberschenkel. Vorsichtig, als bahre er eine Leiche auf, legte er ihre Beine gerade und drückte sie zusammen. Dann deckte er sie mit einer Decke zu.
    Heftige Schuldgefühle schnürten ihm die Kehle zu, ungeweinte Tränen rieben wie heißer Sand hinter seinen Lidern, aber unwillkürlich dachte er: Und wenn sie jetzt stirbt? Kann ich dann doch noch Brünhild für mich gewinnen... mit der Zeit...
    Entsetzt über solche Gedanken kniete er neben dem Bett nieder, nahm Gudruns kleine Hände in eine Hand und griff mit der anderen nach seinem Dolch. Er besaß zwar nicht Regins Geschick, aber die Spitze und die Klinge waren so scharf, wie er sie mit seinem Schleifstein hatte machen können. Der Bettpfosten stand in Richtung Osten. Es war kein lebender Baum, aber einst war

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