Rheingold
ihre Wangen bleich und hohl, und der Mond legte über ihre dunklen Haare einen grauen Schimmer. Regin starrte sie an. Er konnte nicht glauben, daß diese harte Frau mit der Hand am Dolch die Schwester war, die er kannte. »Was willst du?« fragte Lofanheid kalt.
Regin sank gegen einen Baumstamm, denn er war zu müde, um noch länger stehen zu bleiben. »Hilf mir«, flüsterte er, »sag mir, was geschehen ist. Fafnir hat mir einen Schlag auf den Kopf versetzt, und ... ich bin so müde. Ich habe Hunger, und ich bin verwirrt. Nur das Gold...«, seine Stimme erstarb, als das magische Feuer in seinem Kopf aufflammte, ihn blendete und die verschwommenen Lichtpunkte vor seinen Augen auslöschte.
Lofanheids Gesicht wurde bei seinem Anblick nicht weicher, aber ihre Stimme klang etwas ruhiger, als sie sagte: »Du und Fafnir, ihr habt unseren Vater umgebracht. Er wollte das Gold nicht teilen, deshalb habt ihr ihn mit euren Schwertern erstochen, und dann habt ihr - es - mitgenommen. Lingheid hat bereits Ebur geheiratet, und man hat euch für vogelfrei erklärt. Jeder Mann kann euch erschlagen wie Wölfe in den Wäldern. Sie haben euch gesucht... auch die Fremden, aber sie sind spurlos verschwunden.«
Lofanheid beugte sich vor, und er sah die kalten Mondstrahlen, die sich in ihren schwarzen Augen spiegelten. »Geh, Regin«, flüsterte sie rauh, »ändere deinen Namen und suche dir einen anderen Drichten, dem du dich anschließen kannst. Laß dich irgendwo als Schmied nieder, aber versuche den Weg zurück zu den Menschen zu finden, denn sonst... Erinnerst du dich an die Träume, die ich als Kind hatte, an die Träume, die uns immer voraussagten, wann Gäste kamen oder Kämpfe bevorstanden?«
Regin nickte.
»Sie haben sich jedesmal erfüllt, nicht wahr?« »Ja.«
Regin wollte den Blick abwenden, aber das eiskalte Licht ihrer Augen fesselte ihn wie Ketten.
»Gestern nacht habe ich wieder geträumt. Ich wußte, daß du kommen würdest, und ich weiß, was mit Fafnir geschehen ist. Regin, vergiß ... vergiß alles. Vergiß es und geh so schnell und weit weg wie du kannst. Aber wende dich nicht von den Menschen ab, sonst wirst du alles verlieren, was dir als Mensch geblieben ist. Der Hort wird dich so sicher töten, wie Fafnir bereits stirbt. Und die Hand, die dir das Leben nimmt, wird die Hand des einzigen Menschen sein, den du Grund hast zu lieben. Glaubst du mir?«
»Fafnir stirbt?« fragte er, »und das Gold ...« »Fafnirs Körper geht in seinem Geist auf. Im Traum habe ich gesehen, wie du in eine Höhle mit einem Drachen blickst, der sich um den Schatz ringelt. Du hast es mit eigenen Augen gesehen: Alles, was unser Bruder gewesen ist, wird zum Hüter des Goldes. Er wird dort bleiben. Sein Geist nährt sich von der Kraft seines irdischen Körpers, bis der verhungert und zu Staub zerfällt. Aus diesem Geist und aus der Macht des Goldes, das ihn bannt, wird allmählich die neue Gestalt seiner Seele entstehen, bis schließlich ein richtiger Drache die Höhle bewacht. Du wirst nie in der Lage sein, ihn zu bezwingen. Ich habe gesehen, wie du vor der Macht der Zauberkappe zurückgewichen bist. In diesem Augenblick hättest du seinen Körper noch erschlagen und seine Seele retten können. Jetzt bist du ein Ausgestoßener, bist vogelfrei, aber noch ist es nicht zu spät. Du kannst noch umkehren und dein Los verändern, das ich im Traum gesehen habe. Regin, besinn dich. Dein Tun in den nächsten Tagen wird dein Schicksal bestimmen. Im Augenblick ist dein Verstand nicht zu gebrauchen, deshalb hör auf mich.«
»Ich werde auf dich hören«, flüsterte er bebend und wich ängstlich vor den durchdringenden Augen seiner Schwester zurück. »Sag mir, was ich tun soll... bitte.« Ein Anfall von Schüttelfrost packte ihn, und er begann, am ganzen Leib zu zittern. Er drückte die Arme fest an den Oberkörper und wartete mit klappernden Zähnen, bis es vorüber war.
»Geh zu deiner Schmiede. Nimm von deinem Werkzeug mit, was du tragen kannst. Ich bringe dir dein Pferd. Es ist gestern abend ohne dich zurückgekommen, es kannte den Weg zum Stall. Dein und auch Fafnirs Schwert haben sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Aber ich werde versuchen, unbemerkt einen Speer zu stehlen. Geh jetzt, es wird dich niemand sehen.«
Regin eilte gehorsam davon und lief auf dem engen Pfad hinunter zu seiner Schmiede. Das Feuer war erloschen, die Werkzeuge lagen auf dem Boden verstreut. Hatte er diese Unordnung hinterlassen? Unmöglich, er achtete immer
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