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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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kannst du mir helfen, das zu tragen«, erwiderte Fafnir und wies auf sein Bündel am Boden.
    Regin packte stumm Fafnirs goldgefüllten Umhang an zwei Zipfeln, und die beiden Männer schleppten die schwere Last auf einem schmalen Weg den steilen Felsen hinauf. Die drei Pferde folgten ihnen gehorsam.
    Regin setzte mit gesenktem Kopf stumpfsinnig einen Fuß vor den anderen. In Gedanken wiederholte er immer wieder ein Lied, das er gehört hatte - vor zwei Nächten? -, wobei der Tritt seiner schweren Füße den Rhythmus stampfte: »Vorwärts, wir kämpfen den Krieg / Vorwärts, findet den Feind / Zieht das Schwert / Walküre wägt den Tod / Helden siegt oder fliegt nach Walhall.«
    Vergiß den Fährmann, sagte er sich immer wieder, vergiß die seltsamen Worte der Fremden. Du hast das Gold. Sonst zählt nichts, nichts, nichts auf der Welt. »Ho, ho, um die Schwerter spritzt das Blut / Ho, ho zum Walkürenritt singt der Stahl / Allvater entfacht die heiße Glut / Für der Götter reiches Mahl.« Auf dem Pfad wuchs stellenweise bräunliches Gras; Regins Schuhe traten die trockenen Halme nieder und trugen ihn nach oben, hinauf zu der Höhle, wo er seine Last abwerfen würde und sich setzen konnte. Sein Blick war nach innen gerichtet, nicht auf den Rhein
    unten, nicht zum Himmel, der sich wie eine helle wolkenfleckige Decke über ihn breitete, auch nicht auf den dunklen Gipfel dort oben, wo das Ziel wartete. Er blickte nur auf den schmalen Pfad vor seinen Füßen, wich den Steinen aus, die den Weg weiter oben immer schwieriger machten, und stieg über die Ranken, die sich wie Fallstricke über den Weg spannten. Seinen Körper fühlte er nicht mehr, nur das durchdringende Stechen des Goldes, dort wo es auf seinem Rücken lag. Aber der Schmerz dämpfte das Fieber der Gedanken. Seine Sinne starben immer weiter ab, bis er nur noch die Schuhspitzen wahrnahm und das wechselnde Muster von Steinen und Gras, das ihm verriet, daß er immer noch ging. Erst als er seinem Bruder in die Dunkelheit der Höhle folgte, als ihm die Knie nachgaben und er endlich die schreckliche Last des schweren Goldes absetzen konnte, fühlte er wieder etwas. Regin sank vor Müdigkeit zu Boden und starrte in Fafnirs erschöpftes Gesicht. Zahllose winzige Falten umgaben Augen und Mund seines Bruders, als sei er im Laufe der Nacht um viele Jahre gealtert. »Ich werde Wache halten«, erklärte Fafnir knapp und ging zum engen Eingang der Höhle, ohne seinen mißtrauischen Blick von Regin zu wenden. »Schlaf jetzt. Du kannst es brauchen.«
    Dunkelheit umgab Regin bereits, und er richtete sich schlaftrunken auf, als Fafnir näherkam. Er glaubte, in der Hand seines Bruders einen grauen Stein zu sehen, aber alles war grau, nichts als grau. Er schloß die Augen und sank zurück.
    Fafnir ließ den Stein mit voller Wucht auf den Kopf seines Bruders fallen. Dann griff er nach dem schlaffen Körper und schleuderte ihn mit einem kräftigen Schwung aus der Höhle. Regin rollte den Abhang hinunter und blieb schließlich auf halber Höhe an einem kleinen, verkrüppelten Baum hängen. Dort lag er regungslos, und Fafnir wollte schon hinuntersteigen, um dafür zu sorgen, daß er im Fluß unten landete. Wenn er nicht tot war, würde er eine Gefahr sein, aber das Gold sang inzwischen immer lauter in seinem Kopf. Durfte er es allein lassen, nur um Regins Leiche aus dem Weg zu schaffen? Konnte nicht plötzlich jemand hier oben auftauchen und versuchen, ihm den Schatz zu rauben? Nein, er durfte kein Risiko eingehen.
    Fafnir schlurfte in die dunkle Höhle zurück. Er löste mit Fingernägeln und Zähnen die Knoten der Bündel und ließ das Gold auf den Boden rollen. Die beiden Haufen verschmolzen zu einem, der sanft im schwachen Licht schimmerte, das durch den Höhleneingang fiel. Der reine hohe Ton lockte ihn schmerzlich, bis sein ganzer Körper vom Klang des Goldes widerhallte. In fiebriger Hast riß er sich das schmutzige Lederwams und dann die Hose vom Leib. Er warf sich nackt auf den Hort, wälzte sich darin herum und überließ sich ganz dem Gefühl der kostbaren Spitzen des scharfen Metalls, die sich in ihn bohrten und
    mit ihrem kalten Feuer sein ganzes Wesen erfaßten. Er streifte sich die gewundenen Armreifen über die schweißnassen Muskeln und schob sich goldene Ringe an die dicken Finger. Plötzlich berührten seine Hände etwas, das wie ein Blitz seine Arme durchzuckte: eine Kappe aus winzigen goldenen Ringen, die schwer in seiner Hand lag. In der Stirnplatte war ein

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