Rheingold
bestäubt. Als Regin ihn schließlich sah, griff er schnell nach seinem Speer und schleuderte ihn mit aller Kraft nach dem Hirsch, der aber geschickt der Waffe auswich. Dann drehte sich der Hirsch um und ging gelassen davon. Er wurde etwas schneller, als Regin zu seinem Speer lief, aber er sprang nicht davon.
Regin hob den Speer von der Erde auf, schwang sich auf den Rücken seines Hengstes und trieb ihn an, dem mächtigen Hirsch zu folgen, der mit müheloser Anmut über Steine und Bäche setzte, während Pferd und Reiter ihm folgten. Der Hengst sprang über Baumstämme und Wasserläufe und streifte Büsche und Stämme bei der wilden Verfolgung des dunklen Hirschs, der nie strauchelte und nie ihren Blicken entschwand. Der Hirsch wurde langsamer, wenn sie langsamer wurden und drehte immer wieder den Kopf, als wolle er sich vergewissern, daß sie ihm noch immer folgten. Es ist nur ein Hirsch, dachte Regin, aber wie klug er ist. Das wäre Fleisch für viele Wochen. Ich könnte mir eine Hütte bauen und es räuchern. Ich hätte Sehnen für einen Bogen und ein warmes Fell als Decke. Ich kann ihn nicht entkommen lassen. Regins hungriger Magen knurrte laut bei dem Gedanken an gebratenes Fleisch, und das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Er trieb sein müdes Pferd noch heftiger an, um dem Hirsch nahe genug zu kommen, damit er den Speer nach ihm werfen konnte. Hätte ich doch nur einen Bogen, dachte Regin verzweifelt.
Der graue Himmel wurde bereits dunkel, als der Hirsch plötzlich nicht mehr zu sehen war; seine Fährte verlor sich im rissigen grauen Gestein eines Abhangs, auf dem die Pferdehufe laut klapperten. Wütend und enttäuscht sprang er vom Pferd und schlug mit den Fäusten auf die bemoosten Steine.
Plötzlich hielt Regin inne. Er spürte deutlich, daß ihn etwas aus dem Innern des Felsens beobachtete - es war so mächtig und alt wie die Gebeine der Erde. Ehrfurcht erfaßte ihn, seine Hände zitterten, als er die Fäuste langsam öffnete und die Handflächen flach auf den nassen Stein legte.
Komm, sagte eine tiefe Stimme in seinem Innern. Der Klang hallte gespenstisch durch seinen Kopf, als töne er in einem einzigen Atemzug durch viele Zonen. Ohne Zögern trat Regin in den Felsen, der sich vor ihm auf tat, als er seinen irdischen Körper verließ. Er stand am Eingang eines dunklen, gewundenen Ganges, der sich durch den Hügel wand. Regin zog es zu einem roten Feuerschein, der in der Tiefe leuchtete.
Der Gang verbreiterte sich zu einer niedrigen zerklüfteten Höhle, in der ein helles Schmiedefeuer brannte. Vor den Flammen stand ein Wicht in der Gestalt eines Mannes. Er reichte Regin etwa bis zur Brust, aber er hatte so breite und muskulöse Schultern, wie Regin sie noch bei keinem Mann gesehen hatte. Er trug nur ein ärmelloses braunes Wams, eine schlichte braune Hose und derbe Schuhe. Die Haut des Zwergs war beinahe schwarz von eingebranntem Ruß. Die kräftigen nackten Arme trugen die gleichen rosa Narben, wie Regin sie von seiner Arbeit als Schmied hatte. Der dunkle Haarkranz und der hüftlange Bart waren grau wie das Fell eines Silberfuchses. Die Bartenden waren in den Gürtel gesteckt. Regin hockte sich auf den Boden und starrte den Zwerg verblüfft an, der den runden Kopf zurückwarf und tief und unheimlich lachte.
»Was führt dich zu Windhaffs Tür, Mensch?« fragte er. »Hoffst du, deinen Hirsch in meinem Hügel zu finden?«
Regins Blick fiel auf den Amboß, wo ein halbfertiges Schwert lag. Das Licht der zuckenden Flammen tanzte auf dem Schlangenmuster im glänzenden Metall. Dann sah er den kunstvollen Knauf in der Form eines springenden Hirschs. Das Tier war meisterhaft gearbeitet, bis hin zum letzten Bronzehaar und dem winzigen schwarzen Edelstein des Auges gearbeitet. Nur unter den Dingen von Otturs Wergeld hatte Regin etwas so Vollkommenes gesehen. Es war die Arbeit von Zwergen, die kein Mensch vollbringen konnte, Schätze, die Herzen brachen, und Schwerter, die den Tod brachten... den Tod...
»Ich bin gekommen, um dein Handwerk zu lernen. Ich möchte ein Schwert schmieden, das einen Drachen töten kann«, antwortete Regin. Seine Stimme klang dünn und schwach nach dem dröhnenden Gelächter des Zwergs. »Wirst du mich deine Kunst lehren, Windhalf?« »Ein Kind von Esche und Ulme will die Kunst der Zwerge lernen? Was hast du zu bieten? Du hast kein Gold, und du kannst nicht Frowe Huldas Preis zahlen.«
»Ich arbeite als dein Lehrling, wie es bei den Menschen üblich ist«, erwiderte Regin
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