Rheingold
nach, sie sank auf den Boden. »Ich würde noch mehr sagen, aber es ist zu spät, und es war die Wahrheit.«
Brünhild schloß die Augen. Langsam fiel sie zur Seite. Der Schwertgriff prallte auf die Steine. Brünhild war tot. Hagen trat beiseite und ließ Gunter zu Brünhild. Der Burgunderkönig hob seine Frau behutsam hoch und legte sie neben Sigfrid und Sigmund auf den Tisch.
»Nein!« rief Gudrun heiser, ihre Kehle war wie ausgetrocknet. »Noch nicht! Sigfrid war mein Mann, und Sigmund mein Sohn. Ich werde sie aufbahren, aber ohne sie. Verbrennt sie zusammen, wenn es sein soll, aber laßt mir diese eine Nacht.«
Wortlos trug Gunter seine Frau aus der Halle. Ein eiskalter Schauer überlief Gudrun, als Hagen sie ansah. Er machte einen Schritt auf sie zu, aber sie wich zurück und hielt den gezogenen Dolch in der zitternden Hand. »Geh!« befahl sie ihm rauh. »Geh und wage dich nicht mehr in meine Nähe.«
Hagen blickte auf den Dolch, und Gudrun wußte, wie wenig Schutz diese Klinge gegen ihn bot. Aber er sagte nichts und ging durch die Halle zu Costbera und Nibel, die noch immer am Tor standen. Als Hagen sich seiner Frau näherte, wich auch sie entsetzt vor ihm zurück.
»Meine Frau«, sagte er.
Sie preßte die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. Ihren Sohn drückte sie an sich. »Bitte«, flüsterte sie, »bitte, rühr mich nicht mehr an. Ich kann nicht... bitte. Komm nicht näher.«
Hagen senkte den Kopf und sah Nibel an. Der Junge riß sich von seiner Mutter los und lief zu seinem Vater.
»Ich bringe ihn nach Hause. Du kannst hier bei Gudrun bleiben.«
»Ja.«
Hagen verließ mit seinem Sohn die Halle. Er schloß hinter sich das Tor, das dröhnend zufiel. Costbera entspannte sich wieder etwas, auch Gudrun ging zur Tafel, auf der ihr Mann und ihr Sohn lagen. Sigmund hatte den Mund wie im Schlaf geöffnet. Nur ein kleiner Fleck färbte die Tunika dunkel. Die kleinen Arme und Beine waren noch warm, aber Gudrun spürte, wie die Kälte sie langsam erfaßte. Sie zitterte, und Schauer liefen ihr über den Rücken, aber sie konnte nicht weinen, obwohl Sigfrids und Sigmunds Augen ohne das Leuchten des Lebens ausdruckslos ins Leere starrten. Im Tod schien Sigfrid wie aus Stein gemeißelt zu sein - als Mensch zu groß und zu vollkommen und kälter und schwerer, als ein Mann werden konnte. Nur der sehnsuchtsvolle Blick auf seinem Gesicht schien sich zu verändern. Das einst so qualvolle und schmerzliche Verlangen bebte im Nahen der Erfüllung wie ein Sonnenaufgang über den Tälern der Nacht.
Sie sind tot, dachte Gudrun. Ich muß weinen. Aber die Tränen blieben ihr heiß und stechend im Hals stecken. Costbera legte ihr sanft die Hand auf den Arm. »Warum weinst du nicht, Gudrun?« fragte sie. »Ich weiß, wenn du weinst, geschieht es nicht aus Schwäche.«
Gudrun schnürte es immer mehr die Kehle zu. Sie schüttelte stumm den Kopf.
»Ich konnte doch nichts tun!« rief Costbera plötzlich gequält. »Du hast es selbst gesehen, wie ich versucht habe...«
Gudrun nickte. Sie zwang sich zu schlucken und holte bebend mehrmals Luft, ehe sie antworten konnte: »Ich weiß... ich .. habe es ... gesehen.«
»Du mußt weinen, Gudrun. Wenn du deinen Kummer nicht aus dir herausläßt, wirst du ersticken, und dein Herz bleibt stehen.«
»Das möchte ich«, stieß sie verzweifelt hervor, »Sigfrid war so viel besser als alle Menschen, so wie Gold besser als Eisen ist. Er hat alle überragt. Und jetzt ist er tot... mein Mann und mein Sohn... beide tot. Wer hätte mehr Grund als ich zum weinen?«
»Für mich ist es kaum leichter, obwohl Hagen lebt«, flüsterte Costbera, »ich habe wenig Freude in unserer Ehe. Ich weiß immer noch nicht, was für ein Wesen er ist, ich weiß nur, daß ich mich vor ihm fürchte. Er ist wie ein böser Geist, ein Dämon und kein Mensch. Ich weiß nicht, ob die Kirche unsere Ehe noch für gültig erklärt, nach all dem, was geschehen ist. Ich kann mit ihm nicht wieder unter einem Dach leben. Aber wenn ich ihn verlasse, wird mein Priester sagen, ich sei eine Hure, und dann ist mir alles verschlossen.«
»Möchtest du, daß er tot wäre?«
Costbera blickte auf den Boden, wo Brünhilds Blut den Stein schwarz färbte. »Ich weiß nicht«, erwiderte sie leise, »er ist der Vater meiner Kinder... und ich glaube, er war so freundlich zu mir, wie es ihm möglich ist.«
»In meiner Ehe mit Sigfrid war nichts, was ich mir anders gewünscht hätte. Aber jetzt ist er tot und mein Sohn auch. Wenn du
Weitere Kostenlose Bücher