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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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konnte nicht richtig erwachen aus einem Traum von Schwertern und seltsamen schwarzen Gestalten, die wie dürre Bäume im Fackelschein kämpften. Rauhe Stimmen brüllten plötzlich:
    »He! Fackeln her! Gudrun, wach aufl Wach aufl« Etwas Kaltes und Schweres fiel über ihren Rücken. Gudrun richtete sich kerzengerade auf und wollte schreien. Unheimliche Schatten beugten sich über sie und starrten sie im flackernden Licht von Fackeln wie drohende Geister an. Das bleiche Gesicht eines Toten erschien dicht vor ihren Augen. Jemand hob einen gepanzerten Arm und deutete auf sie. Der unheimliche Mann näherte sich dem Bett, und sie glaubte, seine eiskalte Berührung zu spüren. Sie schrak vor ihm zurück. Sie schrie laut auf, als ihre Hand einen steifen kalten Arm streifte.
    Hinter dem dunklen Wesen am Fußende ihres Bettes hörte sie laut und deutlich Gunter sagen: »Nein... nein, jetzt nicht.« Die Fackel brannte höher. Der rote Feuerschein fiel auf das Bett, und Gudrun blickte wie gebannt auf das Laken.
    Sigfrid lag neben ihr. Die Lippen waren halb geöffnet, und seine leeren Augen standen offen. Er schien stumm nach jemandem zu rufen. Sie sah die dunklen Flecken auf seiner Tunika. Sie wußte plötzlich mit erschreckender Klarheit, daß auf seinem Rücken eine große Wunde sein mußte. Ihr Schrei wurde lauter und lauter, hallte von den Wänden wider, bis das Echo sich in den Gängen der Halle brach und eine Antwort fand im wahnsinnigen Gelächter einer anderen Frau.
    Brünhilds Triumph klang bitter in Gudruns Ohren. Sie warf sich auf den starren Leib ihres Mannes, küßte die kalten Lippen, um ihnen die Wärme des Lebens zurückzugeben. Seine Arme schienen sich plötzlich zu bewegen. Wahnwitzige Hoffnung durchzuckte sie. Gudrun drückte ihn fester an sich und hob seinen Kopf. Aber Sigfrids Augen blickten starr ins Leere. Die Kehle war ihr wie zugeschnürt und der Mund trocken. Sie richtete sich auf, zog den Dolch und wollte die Mörder töten, aber der eiskalte Blick von Hagens Auge nahm ihr alle Kraft.
    »Wer von euch hat das getan?« fragte Gudrun ihre Brüder mit tonloser Stimme. Die Tränen brannten in ihren Augen, aber sie konnten nicht fließen.
    Sie sah Hagens Zähne wie Dolche glänzen, als er mit einer Wildheit, die sie bei ihm noch nie gehört hatte, erwiderte: »Ein Keiler hat Sigfrid am Rheinufer getötet.«
    »Du und niemand sonst ist dieser Keiler, Hagen!« rief Gudrun außer sich. »Warum hast du mir das angetan?« Sie stieß einen durchdringenden Klagelaut aus. Ihre Seele öffnete ihr den Blick. Von Grauen geschüttelt, sah sie das sterbende Land ihrer Zukunft, und dumpf tönten aus ihr die Worte der Nornen, die ihr die Fäden des Schicksals entgegenhielten: »Höre meine Worte, und vergiß sie nicht! Die Raben werden dein Herz in einem fremden Land fressen, wo dich niemand kennt!« Dann wurde alles dunkel um sie, und in der tiefschwarzen Nacht hörte sie Hagen sagen: »Das Unheil wird nur noch größer sein, wenn die Raben mein Herz fressen. Hättest du dich beherrschen können, dann hätte ich das hier nicht tun müssen. Steh auf? Suche Sigfrids beste Tunika und alle wertvollen Dinge, die du ihm mit auf den Weg geben möchtest, denn ich bringe ihn jetzt in die Halle, wo sein Leichnam für den Scheiterhaufen vorbereitet werden muß.«
    Er packte Sigfrids Füße und zog den riesigen Körper zu sich. Dann bückte er sich und nahm Sigfrid auf seine Schulter. Niemand wagte es, sich ihm in den Weg zu stellen, als er mit seiner Last die Kammer verließ und zur Halle ging.
    Erst als Hagen nicht mehr zu sehen war, sagte Gunter: »Gudrun...«
    »Schweig, du bist ein Verräter! Du und Hagen, ihr seid entehrt, denn ihr habt Sigfrid ermordet! Dieser heimtückische Mord lastet auf euren Seelen, denn Sigfrid war mein Mann und euer Blutsbruder. So wirst auch du diese Tat bereuen und dafür büßen. Wenn du in die Schlacht ziehst, wirst du erleben, daß Sigfrid nicht an deiner Seite kämpft. Dann erst wirst du sehen, daß Sigfrid dein Glück und deine Stärke war. Vergiß nicht, du hast das Los verdient, das auf dich wartet.«
    In ihrem Zorn, der Trauer und Wut wollte sie noch mehr sagen, aber sie verstummte, als eine Tür schlug und eine Frau rief: »Bleib, wo du bist! Meine Frowe hat gesagt...« Dann hörte man den dumpfen Laut eines Körpers, der gegen eine Wand fiel.
    Gudrun dachte an ihren Sohn und sprang aus dem Bett. Sie rannte zu Brünhilds Raum, wo die Magd bewußtlos neben Brünhilds offener Tür lag. Ohne zu

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