Rheingold
entlang, Siggeir und Sigar kämpften auf der Insel Fion. Die Schwerter der Drichten waren mit Silber- und die Kettenhemden mit Goldfäden gestickt. Jetzt glänzten sie hell in der warmen Sonne. Gudrun und Tonara stickten heute mit weißem Garn die Federn der dänischen Schwäne, die so aussahen wie die drei, die vor ihnen auf dem See schwammen. »Du wirkst weniger unglücklich«, sagte Tonara, »ich glaube, die Sonne tut dir gut.«
»Die Winter sind hier sehr lang und kalt«, erwiderte Gudrun und fröstelte trotz der sommerlichen Wärme. »Wenn das Julfest vorüber ist, möchte ich immer weit weg sein.«
Tonara lächelte und strich sich über die braunen Zöpfe. »Hast du mir nicht erzählt, daß am Ostarafest im Schwarzwald oft alles noch tief verschneit war? Dort müßtest du dich doch an die Kälte gewöhnt haben.«
Gudrun schwieg und blickte auf den weißen Stern in dem dunkelroten Stein ihres Rings. Ihre Tante legte die Hand auf ihre Schulter. »Aber damals warst du verheiratet, und hier trauerst du noch immer um deinen Mann. Aber mach dir keine Sorgen. Ich habe erfahren, daß deine Tochter Schwanhild am Leben ist und zu einem schönen und gesunden Mädchen heranwächst.«
»Aber was soll mit ihr geschehen, wenn die Hunnen durch den Schwarzwald ziehen?«
»Im Augenblick besteht keine Gefahr. Rodger hat Attila Bündnistreue geschworen. Damit gibt sich Attila im Augenblick zufrieden. Er richtet sein Augenmerk mehr in den Süden.«
»Ich mache mir trotzdem Sorgen...«
»Schwanhild ist bald groß genug, dann kannst du sie in der Obhut von Herwodis lassen.« »Aber wie soll das geschehen, ohne daß jemand erfährt, wo ich bin? Du weißt, wenn meine Brüder erfahren, daß ich bei dir bin, werden sie sofort kommen und mich zwingen, wieder zu heiraten... und ich könnte es nicht ertragen, nach Sigfrid mit einem anderen Mann zusammenzuleben .«
Tonara legte das Garn in den Korb und steckte die Nadel in den Wandteppich. Dann sah sie Gudrun an. Sie preßte die Lipen zusammen. Auf ihrer Stirn zeigte sich eine tiefe senkrechte Falte. »Gudrun, du kannst dich nicht mehr lange vor deiner Familie verstecken. Du bist
kein junges Mädchen mehr, sondern eine Frau mit Pflichten. Es scheint nicht richtig, wenn du unverheiratet bei mir bleibst.« Sie holte tief Luft und sagte dann: »Hör zu, wenn du willst, suche ich dir hier einen Mann... die Väter einiger junger Edelleute haben mich bereits darauf angesprochen. Du könntest dir unter ihnen den besten auswählen.«
Gudrun schüttelte den Kopf und schwieg. »Gudrun«, sagte Tonara freundlich, »du mußt dich bald entscheiden, denn es wird nicht mehr lange dauern, bis Krimhild und deine Brüder wissen, wo du bist. Ich habe das Geheimnis gewahrt, wie du es wolltest, aber nichts ist so schnell wie Worte im Wind. Seit ich Krimhild kenne, gibt es nichts, was lange vor ihr verborgen bleibt.«
»Ich kann nicht wieder heiraten«, erklärte Gudrun, »bin ich dir eine solche Last? Wenn du möchtest, werde ich als Geisel für meinen Lebensunterhalt arbeiten, aber ich kehre nicht zu meiner Familie zurück oder lasse mich noch einmal verheiraten.«
»Was redest du da, Gudrun?«
Tonara begann wieder zu sticken. »Du weißt, du kannst solange bei mir bleiben, wie es keinen besseren Platz für dich gibt. Ich möchte auch nicht, daß du noch einmal als Unterpfand für die ehrgeizigen Pläne deiner Brüder dienen sollst, aber ich sehe keine Möglichkeit, das zu verhindern, wenn du nicht heiratest.« Sie lächelte. »Du weißt, Tonabir ist ein edler junger Mann. Er hat eine eigene Halle.
Er wird verehrt und er hat ein großes Gefolge, mit dem er an der britischen Küste bereits viel Beute gemacht hat. Wenn du ihn heiratest, wärst du bis ans Ende deines Lebens gut versorgt.« Als Gudrun nur seufzend den Kopf schüttelte, fragte Tonara: »Oder möchtest du lieber Awila heiraten? Er ist kein so berühmter Krieger, aber er hat doch einen so guten Ruf, daß jeder König ihn in seiner Streitmacht haben möchte. Man sagt, er ist der hübscheste junge Edelmann im Norden. Er kann Harfe spielen und wie ein Skalde singen. Dein Leben mit ihm wäre von Heiterkeit und Freude erfüllt. Diese beiden halte ich für die besten, aber du solltest selbst wählen. Du kennst sie, denn sie sind wie die anderen oft genug in unserer Halle gewesen.«
»Wenn sie so begehrenswert sind, warum sollten sie den Wunsch haben, eine alte Witwe zu heiraten?«
»Gudrun, ich glaube, du weißt nicht, wie schön du bist.
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