Rheingold
tun.«
»Er hat nicht mit mir darüber gesprochen«, erwiderte Tonara, und Gudrun hörte ihren Unmut, »aber Gudrun sitzt in meiner Kammer. Wenn sie mit euch reden möchte und freiwillig mit euch geht, dann werde ich nichts dagegen einwenden.«
Es dauerte nicht lange, und Gudrun hörte, wie ihre Mutter an die Tür klopfte. »Gudrun, mach auf.«
Gudrun gab keine Antwort.
»Mach mir auf, Gudrun!« befahl Krimhild energisch. Gudrun hörte Flüstern, dann klickte das Schloß, und die Tür ging auf. Krimhild trat ein. Gold glänzte an ihrem schwarzen Leinengewand.
Sie trat vor ihre Tochter und blickte sie an. »Gudrun, du zürnst deinen Brüdern schon zu lange. Du mußt jetzt ihre Geschenke annehmen und dich mit ihnen versöhnen.«
»Warum sollte ich das? Sie haben meinen Mann ermordet. Ich will sie nie wiedersehen.« »Gunter und Hagen sind deine Brüder. Du hast sie immer von Herzen geliebt. Ihr solltet wieder Zusammensein wie früher.«
»Sigfrid war ihr Blutsbruder, und sie haben ihn heimtückisch umgebracht!« rief Gudrun heftig. »Selbst wenn ihr mit Fafnirs Schatz gekommen seid, den Sigfrid mir als Morgengabe geschenkt hat, und noch einmal soviel Gold, dann wäre damit noch kein Tropfen von dem Blut vergolten, das meine Brüder vergossen haben. Wie kannst du glauben, daß mir jemand ein Wergeld für diesen Mann und für meine Liebe zahlen kann?«
»Deine Brüder sollen mit dir sprechen. Vielleicht wird ihr Anblick dein Herz erweichen.«
»Ich will sie nicht sehen!« erklärte Gudrun, aber Gunter und Hagen traten bereits durch die Tür.
Hagen hielt eine schwere Goldkette in der Hand mit roten Granaten und grünen Smaragden. Gunter hatte auf den Armen einen grünen Umhang aus römischer Seide, der mit blauweißen Fuchsfellen besetzt war.
»Schwester, schließ Frieden mit uns«, bat Gunter und kniete vor ihr nieder, »du fehlst uns schon sehr lange.«
»Warum bist du einfach davongelaufen?« fragte Hagen. »Dir hätte viel Schlimmes geschehen können?«
»Ich verzeihe euch nicht. Ihr habt eure Schwüre gebrochen. Ihr habt Sigfrid ermordet! Ich will euch nicht sehen, und ich will nie mehr etwas mich euch zu tun haben. Nehmt eure Geschenke und gebt sie euren Frauen oder wem auch immer, der unglücklich genug ist, euch dienen zu müssen.«
»Du kannst nicht ewig mit einem toten Mann verheiratet sein«, sagte Gunter. »Komm mit uns nach Hause, und wir suchen dir einen lebenden Mann, dessen Ruhm so groß ist wie Sigfrids.«
»Viele Männer kämpfen als Helden, aber nur einer konnte Fafnir, den Drachen, töten und durch Brünhilds Flammenring reiten. Aber auch wenn Sigfrid nichts von all dem getan hätte, ich hätte ihn mehr geliebt als jeden auf der Welt. Vielleicht hättet ihr ihn dann nicht aus Eifersucht und Angst getötet. Geht, geht alle drei!«
Gudrun drehte ihnen den Rücken zu. Sie erstarrte, als sie Hagen hinter sich spürte, aber Gunter schien ihn aufzuhalten, denn Hagen verließ die Kammer.
»Laß sie«, flüsterte Gunter, »wir dürfen sie nicht zwingen.«
*
»Gudrun hat euch nicht versöhnlich aufgenommen«, sagte Tonara, als Krimhild mit ihren Söhnen die Kammer verließ. Hagen schloß die Tür. Gunter hielt noch immer den kostbaren Umhang auf den Armen. Hagen legte die Kette in seinen Gürtelbeutel zurück. »Sie ist noch immer überreizt«, antwortete Krimhild. »Was wollt ihr tun?«
»Wir bleiben ein paar Tage, wenn wir deine Gäste sein dürfen, und reden mit ihr. Ich glaube, nach einer Weile wird sie sich an die Vorstellung gewöhnen, nach Hause zurückzukommen.«
»Sie könnte einen der Edelleute hier im Norden heiraten. Einige der jungen Männer würden gern um ihre Hand anhalten. Ich werde dafür sorgen, daß die Väter der besten mit euch reden.«
»Ein großer König im Süden möchte sie zur Frau haben«, antwortete Krimhild, »die Verlobung ist bereits besiegelt.«
»Warum tust du das deiner Tochter an?«
»Es ist zum Wohl von allen... nicht zuletzt wird auch Gudrun es mir danken. Jetzt möchte ich Gudrun einen Trank mischen, der ihren Kummer lindert und ihre Sorgen vertreibt.«
»Tu das, was du für richtig hältst, Krimhild. Unser Brauhaus steht draußen hinter der Halle.«
Tonara nahm einen Schlüssel von ihrem Bund und reichte ihn ihrer Base. »Eure Krieger können in der Halle schlafen. Es gibt reichlich Platz, denn Half kämpft mit seinen Leuten auf Gotland. Ich denke, wir werden genug Vorräte für alle haben, obwohl ich auf so viele Gäste nicht vorbereitet
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