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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Man glaubt, du seist sechzehn ... ja, ich finde, du bist inzwischen sehr viel hübscher als vor zehn Jahren. Trotz deiner Trauer umgibt dich ein Strahlen wie andere Frauen, die glücklich sind. Du sitzt zwar immer mit niedergeschlagenen Augen in der Halle und achtest kaum auf unsere Gäste und die Krieger, aber das weiß ich, kein Mann in unserer Halle möchte dich nicht für sich haben... dazu gehört auch mein eigener Mann Half. Wenn du nicht bald heiratest, dann werden die Männer um dich kämpfen.«
    »Du schmeichelst mir. Das stimmt nicht.« »Gudrun, du hast mir erzählt, daß Sigfrid dir das Drachenherz gegeben hat. Du hast es gegessen, du hast Sigfrids Kinder geboren. Glaubst du, all das sei möglich gewesen, ohne daß du jetzt etwas von der Kraft der Wälsungen in dir hast? Ich sage die Wahrheit, wenn ich behaupte, daß sich keine Frau mit dir vergleichen kann.«
    »Aber wenn die Wälsungen nicht mehr in dieser Welt leben können, dann soll man auch mich in Ruhe lassen. Ich will bis zum Ende meines Lebens allein bleiben.«
    »Gudrun, glaube mir, du mußt heiraten.«
    Die beiden Frauen stickten eine Weile stumm und lauschten auf das Summen der Bienen. Über dem Meer hörte Gudrun den Schrei der Möwen. Sie schloß einen Augenblick die Augen und lauschte auf ihren Ruf, und plötzlich hörte sie Worte: »Ein Schiff... drei Schiffe... Krieger in Rüstungen... kommt es zum Krieg... gibt es für uns etwas zu fressen... eine Frowe steht an Deck... nein, es kommt zu keiner Schlacht...« Dann riefen die Möwen: »Das Schicksal nimmt seinen Lauf... wir können es nicht ändern... Gudrun soll fliehen... ihre Brüder kommen...«
    Gudrun öffnete die Augen, noch bevor das dumpfe Bronzehorn vom Ufer ertönte und Tonara erschrocken aufsprang. »Du mußt keine Angst haben, Tante«, sagte Gudrun traurig, »das ist kein Kriegsschiff, sondern Krimhild und meine Brüder.« Sie verknotete den Faden und schnitt ihn mit ihrem kleinen Dolch ab. Dann legte sie die Nadel in den Nähkorb zurück. Die Frauen rollten den Wandteppich zusammen und riefen die Knechte, um ihn in die Halle zu tragen.

    *

    Gudrun stand auf den Dünen und sah das Banner der Gebikungen mit dem goldenen Keiler am Mast des Flaggschiffs wehen. Darunter stand als dunkle Gestalt ihre Mutter. Ihre Brüder und ihr Gefolge kamen in Rüstungen und mit Waffen, als zögen sie in den Krieg. Gold und Stahl funkelten unter den kurzen Umhängen, die mit rotem Pelz besetzt waren. Waldemar, der an der Küste Wache hielt, blies noch einmal in das alte Bronzehorn, und Hagen antwortete mit dem Ruf des Auerochsenhorns vom Schiff.
    »Wenn ihr in Frieden kommt, seid willkommen!« rief Waldemar, und seine Stimme klang leise nach dem weithin hallenden Klang der Hörner.
    »Wir kommen, um unsere Schwester Gudrun zu holen!« rief Hagen zurück.
    »Du forderst viel. Es wäre besser für uns, wenn ihr hier nicht anlegen würdet!«
    »Dein Drichten Half erlaubt uns, hier anzulegen und das zu tun, wozu wir gekommen sind.«
    »Wenn Half euch das erlaubt, dann kann ich es euch nicht verwehren. Legt an und seid willkommen.«
    Einige der Krieger rannten bereits in Kettenhemd und umgegürteten Schwertern aus der Halle und hinunter zum Ufer. Die meisten gingen langsamer, als sie das Banner der Gebikungen sahen, aber Gudrun hörte, wie sie zornig miteinander redeten. Einige drehten sich auch um und blickten zu ihr hinauf.
    Gudrun fühlte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. So würdevoll wie möglich drehte sie sich um, kehrte ihren Brüdern bewußt den Rücken zu, ging in die Halle zurück und schloß sich in Tonaras Kammer ein. Dann setzte sie sich auf das Bett und starrte an die Wand.
    Es dauerte nicht allzu lange, bis sie hörte, wie die Männer in die Halle kamen. Die hohe Stimme ihrer Tante hob sich deutlich von dem Gemurmel der Männer ab, als sie sagte: »Ich reiche dir diesen Trank, König Gunter. Sei willkommen bei uns.«
    Dann durchschnitten Krimhilds Worte wie Glas die Stille: »Wo ist meine Tochter? Half hat mich wissen lassen, daß sie bei dir ist.«
    »Das hätte er nicht tun sollen«, erwiderte Tonara und sagte dann ruhig: »Base, deine Tochter ist noch nicht bereit, nach Hause zurückzukehren.«
    »Wir sind gekommen, um uns mit ihr zu versöhnen«, erklärte Hagen, und Gudrun lief beim Klang seiner Stimme ein kalter Schauer über den Rücken. Und als würde sie ebenfalls dort stehen, sah sie deutlich, wie alle vor ihm zurückwichen. »Half ist einverstanden, daß wir das

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