Rheingold
Brust legte. Drei Männer hielten die irischen Wolfshunde, die ein Geheul ausstießen, das allen durch Mark und Bein ging, als Hagen sich ihnen mit dem blutigen Schwert näherte. Als er Gram hob, verstummten sie, noch bevor er ihnen die Kehlen durchschnitt. Er legte die Hunde auf Sigfrids und Brünhilds Füße.
Jetzt hob Grani den Kopf und wieherte, und es klang in Hagens Ohren so fern und klar, als höre er den Hengst bereits aus einer anderen Welt. »Bist du jetzt bereit?« fragte er leise.
Sigfrids Pferd näherte sich langsam dem Scheiterhaufen, bis es dicht neben ihm stand. Hagen hielt die Schwertspitze an die große Ader, die langsam unter dem strumgrauen Fell am Hals schlug. »Jetzt...«
Grani drückte gegen das Schwert und stieß sich die Klinge durch den Hals. Das Blut schoß in hohem Bogen auf die Toten und bedeckte sie wie mit einem roten Tuch. Als der Hengst neben dem Scheiterhaufen auf den Boden sank, sah Hagen, daß Brünhilds Forderungen erfüllt waren. Er ging auf die andere Seite und legte Gram zwischen Brünhild und Sigfrid. Das Schwert war so lang wie der kleine Sigmund. »Jetzt bringt das Feuer!« befahl er.
Gunter drehte sich um und ging wortlos in die Halle. Als er wieder erschien, hielt er eine brennende Fackel in der Hand. Ohne Hagen anzusehen, lief er zu dem Scheiterhaufen und hielt die Flamme unter die trockenen Blätter und kleinen dürren Zweige. Das Feuer brannte erst nur mit kleinen zuckenden Flammen. Funken flogen durch die Äste und Zweige. Aber dann breitete es sich aus, und die Flammen stiegen höher und höher, entzündeten das trockene Holz. Dicke schwarze Rauchwolken stiegen in den Himmel und verdunkelten die Sonne.
Ein Sturm erhob sich, entfachte die Flammen zu neuer Wut. Die Menschen wichen ängstlich zurück. Die Hitze, der Rauch, das Knattern und Prasseln der Flammen, die Funken, die der Wind weit ins Land blies, waren wie ein erstickender Alptraum, aus dem es kein Entrinnen gab. Das Feuer schien mit seiner ungebändigten Kraft eine ganze Welt zu verbrennen. Die Steine begannen zu glühen,
die Lebenden flohen vor den Toten und glaubten, auch ihr Ende sei gekommen. Keiner wußte, wie lange die Flammen wüteten und wie lange die alles erstickende, beißende Rauchwolke über der Stadt lag, denn an diesem Tag sah niemand die Sonne.
*
Als Hagen den Hof wieder betrat, waren die Steine noch so heiß, daß das Leder seiner Schuhe verschmorte. Dort, wo der Scheiterhaufen gewesen war, lag ein dunkler schwelender Haufen Asche - sonst nichts.
Er zuckte zusammen, als hinter ihm eine heisere Stimme fast tonlos fragte: »Wo ist Gudrun?«
Gunter mußte die Frage noch einmal wiederholen, bis Hagen seine Worte verstand. »Sie schläft. Goldrand hat ihr Mohnsaft gegeben.«
»Das hättest du nicht ohne sie machen dürfen.«
»Auf dem Scheiterhaufen lagen genug Tote«, erwiderte Hagen, dann fügte er nach einer lange Pause hinzu: »Jetzt ist alles vorbei und vermutlich kann sie weiterleben.«
»Ich habe Fafnirs Gold nicht gesehen.«
»Nein, es liegt noch dort, wo es war.«
Keiner der beiden Männer wagte in diesem Augenblick darüber nachzudenken, was das nach diesem Tag bedeuten könnte.
*
Gudrun erwachte in der Dunkelheit. Der volle Mond stand vor ihrem Fenster. Das Fest! Das Fest! dachte sie, man wird auf mich warten! Sie war bereits aus dem Bett gesprungen, als die Erinnerung sie wie ein Faustschlag traf und sie zurück auf das Bett sank. »Sigfrid«, jammerte sie, »Sigmund...«
Niemand war in der Halle. Die große Tafel war nicht mehr da. Bestürzt rannte sie zu Gunter und hämmerte an die Tür. »Was willst du?« fragte er tonlos. »Wo sind sie? Was habt ihr mit ihnen gemacht?«
»Wir haben sie verbrannt. Es ist alles vorbei, Gudrun.«
Gudrun riß schreiend die Tür auf und stürzte sich auf ihren Bruder. Er wehrte sich gegen sie, so gut er konnte. Sie fluchte und schrie und weinte, bis sie keine Kraft mehr hatte, niedersank und ihn wütend mit rot geränderten Augen anstarrte.
»Warum habt ihr mir das angetan?« keuchte sie. »Warum habt ihr mich nicht geweckt?« »Hagen wollte es so. Er fürchtete... er glaubte, du würdest Sigfrid auf den Scheiterhaufen folgen.«
»Und glaubst du, das sei jetzt besser für mich?« fragte sie verzweifelt. »Glaubst du, das hätte ich nicht tun sollen? Was soll jetzt aus mir werden?«
»Gudrun, ich habe meine Frau verloren und ein Kind... ein Kind, das noch nicht einmal geboren war.«
Gunter versagte die Stimme. Er hustete
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