Rheingold
sahen sich an. Gunter nickte. Hagen schwieg. Gudrun stand auf, und Mutter und Tochter gingen hinaus zum See. Es war ein kühler Tag, graue Wolkenschleier hingen vor der Sonne. Im stillen Wasser spiegelten sich die blassen Wolken. Die drei Schwäne am anderen Ende des Sees verschmolzen beinahe mit dem weißgrauen Licht.
»Du hast dich also mit deinen Brüdern versöhnt. Bist du bereit, mit uns nach Hause zu kommen?«
»Ja.«
»Bist du auch bereit, uns bald wieder zu verlassen?«
»Warum sollte ich das wollen? Was gibt es für mich außerhalb von Worms? Wenn ich in einer anderen Gegend leben wollte, dann hätte ich einen der hiesigen jungen Edelleute heiraten können.«
»Ich werde dir Gold und viele Kostbarkeiten aus dem Schatz deines Vaters geben, die schönsten Ringe und die besten Bettdecken der burgundischen Frauen, denn das Wergeld für deinen Mann soll bezahlt werden. Dann möchte ich, daß du den großen König Attila heiratest. Du wirst seine Macht und seinen Reichtum teilen und großen Einfluß auf ihn haben, wenn du das tust, was wir dir sagen.« »Ich soll Attila heiraten?« fragte Gudrun entsetzt. »Das wäre doch bestimmt nicht gut und ehrenhaft, wenn ich seine Kinder bekomme.«
»Es ist noch nicht so lange her, daß das Volk deines Vaters mit den Hunnen zusammenlebte und die Stämme auch untereinander heirateten. Die Burgunder umwickeln noch immer die Köpfe der neugeborenen Söhne und opfern den Geistern der Steppe. Vergiß nicht, Attila ist kein unbedeutender König, sondern neben deinem Bruder der mächtigste. Er ist bestimmt kein schlechter Ehemann und ein kühner Drichten. Dietrich hat viele Jahre unter ihm gekämpft, und auch Hagen hat sich nur lobend über seine Zeit in Attilas Streitmacht geäußert.«
»Er war nicht mehr oder weniger glücklich als sonst auch«, erwiderte Gudrun, »aber das bedeutet kaum, daß er gern bei Attila war.«
»Ich glaube, Attilas Halle sieht heute etwas anders aus als die Halle deines Vaters, als du klein warst und der Sinwist noch lebte. Es ist bereits beschlossen, daß du diesen König und keinen anderen heiraten wirst.«
»Als ich im Schwarzwald lebte, haben wir schreckliche Dinge über Attila gehört. Am Anfang jedes Winters schickte er Boten, die mit Rodger und uns Frieden schlossen, und dann griff er uns wieder an. Attila hält seine Schwüre nicht, und sein Schwert ist das Werkzeug eines bösen Geistes. Mutter, es wird uns ein schreckliches Schicksal drohen, wenn wir unsere Sippe an Attila binden. Er wird meine Brüder nicht schützen, auch nicht das Reich der Burgunder, sondern alles, was wir haben, in große Gefahr bringen.«
»Wie kannst du das so genau wissen?« fragte Krimhild und ballte die Fäuste. Gudrun sah, wie das Gesicht ihrer Mutter blaß wurde, und die spitzen Wangenknochen sich deutlich unter der faltigen Haut abzeichneten. »Die Hunnen wurden geboren, um uns den Untergang zu bringen. Aber ich sage, diese Hochzeit ist unsere einzige Hoffnung, daß Gunter und Hagen am Leben bleiben und das Reich halten können. Gudrun, tu das, was wir von dir erwarten. Man wird dich verehren, und du kannst auf unsere Unterstützung zählen. Wir geben dir die Weinernte von Weinburg und Walburg im Westen. Der Wein, der dort wächst, soll dir jedes Jahr geschickt werden. Du sollst neben deinem Mann eine reiche und mächtige Frau sein. Glaubst du, deine Fähigkeit, in die Zukunft zu blicken, ist größer als meine? Oder wie kommt es, daß du Unheil siehst, wenn ich es von uns abwenden möchte?«
»Ich kenne Attila besser als du«, erwiderte Gudrun leise, »man weiß, wie gierig er ist. Noch ist sein Hunger nach Gold nicht gestillt. Er wird seine Beute nicht mit mir teilen, wenn er eine Möglichkeit sieht, alles zu bekommen.« »Trotzdem sage ich dir, diese Hochzeit muß stattfinden. Wir können uns nicht länger auf die Kraft unserer Männer verlassen. Die Hunnen bedrohen unsere Ostgrenze. Laß deine Brüder jetzt nicht im Stich, Gudrun. Ich habe meine ganze Kraft für diese Reise aufgeboten. Ich weiß nicht, wie lange ich noch leben werde, um Gunter und Hagen den Weg zu weisen.«
»Ich werde sie nicht im Stich lassen. Aber ich heirate gegen meinen Willen und werde wenig Freude an Attila haben, sondern nur neuen Kummer und noch größeres Leid.«
»Das darfst du nicht sagen!« widersprach Krimhild. »Deine Worte sind nicht ohne Bedeutung. Wenn du Unheil fürchtest, dann mußt du versuchen, es abzuwenden, aber du darfst es nicht beschwören.«
»Gut, dann
Weitere Kostenlose Bücher