Rheingold
die Ehe bringen. Nicht ihre Brüder, sondern ihr Mann ist der rechtmäßige Hüter.«
»Das Rheingold soll bleiben, wo es liegt«, erklärte Gunter, noch ehe Gudrun etwas sagen konnte.
Attila sprang auf und rief drohend: »Willst du deine Schwester um das Gold betrügen, nachdem du sie zur Witwe gemacht hast?« Als Gunter etwas entgegnen wollte, hob er gebieterisch die Hand und fuhr fort: »Wenn Gudrun meine Frau werden soll, dann werde ich auch für sie sprechen. Wenn es sein muß, werde ich ihre Rechte auch gegen ihre Brüder verteidigen. Und somit sage ich: Gudrun soll nach der Hochzeit das Gold bekommen, das Sigfrid ihr gab. Als seine Frowe und meine hat sie nicht weniger verdient.« Attila legte Gudrun die Hand auf die Schulter. »Sprich, edle Gudrun, du mußt deine Brüder nicht fürchten, wenn ich an deiner Seite stehe.«
Gudrun blickte auf den goldenen Drachenring an ihrem Finger. Der glühende rote Stein lag wie ein Feuerschein über den Erinnerungen an Sigfrid. Wie würde es erst sein, das ganze Drachengold wirklich zu besitzen, so wie Sigfrid es wollte ... ?
Aber dann sah sie Attilas Gier, mit der er auf die goldene Brosche starrte, die Sigfrid ihr noch vor der Hochzeit geschenkt hatte, und Gudrun wußte, sie würde wenig von ihrer Morgengabe haben, wenn der Hort in seine Hände fiel.
»Das Rheingold soll bleiben, wo es liegt«, murmelte sie schließlich. Attila hob ihr das Kinn und sah ihr in die Augen. »Sprich lauter, meine Braut, ich habe dich nicht verstanden.« Gudrun hörte die Drohung so schneidend wie ein Schwert. Wütend schob sie seine Hand zur Seite.
»Ich habe gesagt...«, antwortete sie laut, aber Hagen sprach bereits.
»Ich habe die Worte meiner Schwester ebenso deutlich gehört wie du, Attila. Das Rheingold soll bleiben, wo es liegt. Und niemand soll behaupten, daß wir es unserer Schwester vorenthalten.«
»Das hat sie nur gesagt, weil sie Angst vor euch hat. Wenn sie meine Frau ist, muß sie niemanden fürchten, denn ich schütze sie und werde nicht eher ruhen, bis sie das hat, was ihr gehört, auch wenn sie so dumm sein sollte, es sich nicht zu nehmen.« In diesem Augenblick ergriff Dietrich das Wort. Er sprach leise, aber Gudrun hörte die Kraft in seiner Stimme, die jederzeit bereit war, seinen Worten Taten folgen zu lassen. »Jeder weiß«, sagte er, »Gold stiftet Zwietracht und Hader. Aber diese Hochzeit soll mit Geschenken des Friedens und nicht des Krieges gestiftet werden. Wenn das Gold an einem sicheren Ort liegt, dann besteht kein Grund, es voreilig zu fordern. Wenn Gudrun es vielleicht in einigen Jahren holen möchte, dann wird bestimmt keiner der hier Anwesenden es ihr streitig machen. Warum also darum kämpfen, Attila? Wo willst du das Gold in deiner Halle aufbewahren? Wir haben nicht wie die Römer Vorratshäuser aus Stein, die wenige Krieger gegen eine ganze Streitmacht verteidigen können. Wer sollte den Hort bewachen? Selbst wenn du mir und Hildebrand vertraust, so sind wir nicht immer als Wächter in deiner Halle, und auch du kannst nicht wie Fafnir Tag und Nacht wach sein. Deshalb rate ich dir: Laß das Rheingold dort liegen, wo es liegt. Gudrun soll entscheiden, wann sie es haben möchte.« Dietrich sah Attila furchtlos mit seinen leuchtenden blauen Augen an, und Hildebrand sagte: »Vergiß nicht, wir Goten kämpfen nur dann, wenn ein Unrecht begangen wurde.«
»So soll es sein«, brummte Attila. »Die Hochzeit soll morgen stattfinden, und wir werden das Gold später holen, wenn wir für die Sicherheit des Horts garantieren können.«
»Es sei, wie es die Zukunft bringen wird«, erklärte Gunter.
*
Die schwache Krimhild mußte sich auf Gunter stützen, aber ihre Stimme klang laut und klar, als sie unter dem geweihten Felsen die Götter und Göttinnen anrief. Eine weiße Kuh und ein schwarzer Stier waren als Opfer gefesselt. Attila zog das Schwert, und Gudrun legte unwillig ihre Hand über die seine, denn sie spürte die dunkle Macht des fleckigen Stahls, die giftige Schärfe, die nur Verwüstung und Unheil stiftete.
»Bei diesem Schwert und bei den Götter und Geistern meiner Sippe schwöre ich Gudrun«, rief Attila, »es nie gegen sie oder ihre Sippe zu heben. Wenn ich mein Schwert ziehe, dann nur, um an ihrer Seite zu kämpfen. So soll das Schwert uns in heiliger Ehe verbinden, damit mir der Kriegsgott starke Söhne schenken wird, die es von mir erben.«
»Bei diesem Schwert und bei den Götter und Geistern meiner Sippe schwöre ich Attila«, rief
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