Rheingold
glaubte in ihm Hildebrand zu erkennen. Der alte Ritter trug über der dunklen Tunika ein schwarzes Kettenhemd. In dem faltigen und narbigen Gesicht sah man deutlich die Spuren vieler Schlachten.
Als sie die Stallungen erreichten, wollte Attila Gudrun herunterheben, aber sie schob seine Hände beiseite und sprang allein aus dem Sattel. Sie sah, wie Gunter verlegen wurde, aber Attila verzog keine Miene, saß ab und führte seinen Rotschimmel in den Stall.
Dietrich und Hildebrand folgten ihm. Als Attila wieder erschien, blickte Gudrun neugierig auf sein Schwert, über das viele geheimnisvolle Geschichten erzählt wurden. Der Griff war einfach. Der dunkle Stahl war fleckig, als habe er lange in der Erde gelegen. Das Schwert war weder besonders lang noch breit, vielleicht etwas größer als ein römisches Gladius. Es steckte in einer einfachen Lederscheide mit einem Adlerkopf aus Bernstein. Solchen Schmuck hätte auch ein Burgunder haben können.
»Gehen wir in die Halle und sprechen wir über die Bedingungen dieser Hochzeit«, sagte Attila zu Gunter, »ich möchte deine Schwester heiraten und sie so schnell wie möglich in mein Land bringen.«
»Wir halten uns an die Sitten unseres Volkes«, erwiderte Gunter höflich, aber entschieden, »wie ich höre, achtest du die Sitten aller Stämme.«
»Es gibt viele Götter und Geister, und ein kluger Mann wird alles tun, um sie nicht zu erzürnen. Tun wir das, was für deine Götter wichtig ist, damit diese Hochzeit ihren Segen und ihre Billigung findet.« Sie gingen zur Halle, wo der Wein schon bereitstand. Krimhild erschien nicht, um Attila zu begrüßen. Seit der Rückkehr aus dem Land der Dänen hatte sie das Bett nicht verlassen. Sie aß nur wenig und sprach kaum ein Wort. Gunters Frau Gladis war die meiste Zeit bei ihr und pflegte sie.
Nachdem Gunter einen Trinkspruch auf Attila und sein Volk ausgebracht hatte, sagte er: »Wir können uns noch heute abend in den Badehäusern reinigen. Dann kann die Hochzeit morgen früh stattfinden. Meine Mutter wird den Segen erteilen.«
»Ich denke, du möchtest deine Schwester nicht ohne Wein sein lassen«, sagte Attila, der den gläsernen Pokal mit sichtlichem Genuß leerte. »Als Teil der Mitgift soll sie jedes Jahr die Ernte von Weinburg und Walburg erhalten. Wir werden den Wein in Fässern in deine Halle bringen«, erwiderte Gunter ohne Zögern. »Ich glaube, der Handel mit Wein wird unseren beiden Völkern zugute kommen.« Sie sprachen über Ernten, Preise und die besondere Kunst des Kelterns. Dann wollte Attila wissen, was Gudrun zusätzlich in die Ehe bringen würde. »Sie bekommt von uns eine große Aussteuer mit Gold, Kühen und Pferden und einem Gefolge, das ihrem hohen Rang entspricht.« Attila erwiderte: »Ich weiß von Dietrich, daß bei euch der Wert einer Frau daran gemessen wird, was der Bräutigam bereit ist, für sie als Brautpreis zu geben. Ich achte deine Schwester und biete hundert Unzen Gold und zweimal zwölf unserer besten Pferde.«
»Das ist ein guter Brautpreis«, erwiderte Gunter, »zu ihrer Aussteuer gehören zweimal zwölf goldene Armreifen und zweimal zwölf Längen römische Seide.«
Attila nickte. Er schloß die Augen und dachte nach. Dann beugte er sich vor und blickte Gunter verschlagen an. »Ich weiß, daß Sigfrid, der Drachentöter, Gebikas Tochter Fafnirs Hort als Morgengabe geschenkt hat. Ich weiß auch, daß Gudruns Gold nicht in die Halle im Schwarzwald gebracht wurde. Wird Gudrun ihr Gold mitnehmen?« Die Frage hing wie eine düstere Drohung im Raum, bis Hagens Antwort das gespannte Schweigen zerriß: »Dort, wo Fafnirs Hort liegt, da soll er bleiben.«
»Und wo liegt er?«
»Das wissen nur zwei Menschen.«
Hagen erwiderte ausdruckslos Attilas Blick, bis der Hunnenkönig nach seinem Schwert griff, es aber nicht zog.
»Vergiß nicht«, sagte Gudrun selbstbewußt, »alles, was mir gehört, wird auch mein Eigentum bleiben. Nur ich werde darüber nach freiem Willen verfügen. So war es, als ich Sigfrid geheiratet habe, und so ist es in meinem Volk schon immer gewesen. Ich will dieses Recht nicht durch die Ehe mit dir verlieren.«
Attila runzelte die Stirn und fragte zornig: »Dürfen bei den Burgundern die Frauen bestimmen, was die Männer beschließen sollen?«
»Du weißt von mir«, erwiderte Hagen, »daß wir der Klugheit der Frauen vertrauen. Gudrun wird sehr wertvoll für dich sein, denn sie besitzt die Weisheit und das Können ihrer Mutter.«
»Dann soll sie das Rheingold mit in
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