Rheingold
des Apfelbaums, der auf Sigberts Grabhügel wuchs. Wotan stand in Windhalf s Felsen und hielt den Schwertgriff in der Hand, in den der weiße Kristall eingelassen worden war. Der Gott betrachtete ihn, bis nur noch wenige Schleier das Weiß seiner Tiefen trübten. Rerir hustete und spuckte schwarzes Blut. Dann sank er auf das harte Lager in seinem Kriegszelt; zur gleichen Zeit legte seine Frowe die dünnen sommersprossigen Hände auf den gewölbten Leib, der ihren schlanken Körper mit einer ungewohnten und viel zu großen Last beschwerte. »Für das Wohl meines ungeborenen Kindes«, flehte sie zu den Göttern, »schenkt meinem Mann den Sieg, und laßt ihn sicher zu mir zurückkehren.«
Wotan hörte ihre Worte, aber er hielt sich an seinen Plan. Die Klinge würde bald geschmiedet sein. Auf der schönen Klinge schimmerte vielversprechend der Drache, aber das letzte Löschwasser und der letzte Schliff fehlten noch. Das Julfest ging vorüber, aber das im Frühling gezeugte Kind war noch nicht geboren, obwohl Rerirs Frowe schwer an der Last trug. Sie rechnete Tag für Tag mit dem Einsetzen der Wehen, während der Sohn in ihrem Leib immer noch wuchs. Der Apfelbaum auf Sigberts Grab blühte bereits, als die ersten Wehen einsetzten. Und dann war das Kind zu groß, um die enge Pforte ihres Beckens zu verlassen. Wotan sah mit Freude, daß sie sehr tapfer war und den Helden seiner Sippe in nichts nachstand. Als die Frowe begriff, daß sie das Kind nicht zur Welt bringen konnte, befahl sie der Hebamme, das Ungeborene aus ihrem Leib herauszuschneiden. Nachdem die Frauen das getan hatten, hielten sie ihr das blutige Kind an die Lippen. Sie küßte ihren Sohn und starb an den Wunden, während Wotans Atem das Neugeborene mit Leben erfüllte. Nach neun Tagen hob ihr Bruder den Kleinen hoch und gab ihm den Namen Wals. Der Kristall im Schwertgriff lag klar und fehlerlos in Wotans Hand. In der Hochzeitsnacht von Hild und Wals kamen Wotan und Loki wieder in Windhalfs Felsen. Regins Bart war inzwischen grau geworden.
Die Holzkohle hatte seine Haut noch nicht so schwarz verfärbt wie die seines Meisters, aber die Poren trugen deutlich die Zeichen seiner Arbeit, und wenn Wotan mit menschlichen Augen hätte entscheiden sollen, welcher der beiden ein Wesen von Esche und Ulme war, dann wäre ihm das wahrlich schwergefallen. »Jetzt«, befahl Wotan, und Loki verschmolz mit dem Feuer und loderte in der Esse der Schmiede, als das dritte Runenholz aufflammte. Wotan fachte das Feuer mit seinem Atem an, bis es höher und höher brannte, während Regin und Windhalf das Schwert in die Esse hielten. Hörnir wartete schweigend und füllte den Löschbotrich. Hild schrie nicht vor Schmerzen. Den Schrei, den Wotan hörte, stieß ihre Magd aus, als die von Todesqualen gepeinigte Walküre ihr mit dem eisernen Griff ihrer Hand die Knochen brach. Wals zerschlug mit der Axt die Tür, schob die Frauen beiseite und ergriff die Hand seiner Frau, damit sie so fest drücken konnte, wie sie mußte.
Das Schwert wurde jetzt heiß und glühte so rot wie die dunklen Äpfel am Baum auf Sigberts Grab. Bei der nächsten Wehe stemmte Wals die Füße auf die Erde, die er über dem Grab seines Großvaters zu einem Hügel aufgeschüttet hatte. Hier stand jetzt seine Halle und trotzte den Stürmen der Nordsee. Wotan wußte, daß Wals den Wolf nicht sah, der neben Hilds Lager wachte; aber Wals erzitterte, als das Echo seines Geheuls wie ein kalter Schauer über seinen Rücken lief, die Klinge in Lokis Feuer leuchtend orange aufglühte, und der Drache sich weiß auf dem Metall wand. Hild schmeckte das Blut ihrer Lippen, die sie wundgebissen hatte. Sie drückte die Augen fest zu, und die junge Hebamme griff in ihren Leib, um das Kind hervorzuholen. »Ein Mädchen«, sagte Wals. »Wenn es lebt, soll es Siglind heißen.«
Regin nahm die Klinge aus dem Feuer und bearbeitete das Sterneneisen mit den letzten Schlägen. Dann hob er das Schwert hoch über das Wasser, um die Hitze zu löschen, und Hilds Leib zuckte noch einmal. Die Hebamme legte das erste Kind schnell nieder und konnte schon das zweite auffangen.
Regin tauchte das glühende Schwert in einer zischenden Dampfwolke ins Wasser.
»Ein Junge!« rief Wals. Er nahm der Hebamme das zweite Kind aus den Armen und hielt es hoch. »Er soll Sigmund heißen.«
Windhalf nahm das Schwert aus dem Wasser und hielt es abwägend in der Hand. Es tönte klar, als er mit einem dicken Nagel dagegen schlug, und das Echo hallte laut durch den
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