Rheingold
letzte Bier aus und aß die letzten Vorräte zum Zeichen des Vertrauens darauf, daß der Gott sie nicht im Stich lassen und keinen Schnee mehr schicken werde.
Lachend drängten sich die halb verhungerten Männer und Frauen zu dem Phallus, um den Stab des Lebens anzufassen. Sie machten derbe Witze und ausgelassene Verse, obwohl sie vom Hunger geschwächt waren. Die Gydhja
trank ihr Bier, lächelte ruhig und betrachtete die Menschen wie eine Mutter ihre Kinder. »Nach meinen hast du noch nie so gierig gegriffen!« rief der Bauer Hatulakar seiner Frau Gutrid zu, als sie die Finger mit den geschwollen Gelenken um das Glied des Gottes legte und so fest zupackte, als sei es der Stiel einer Axt. Sie schüttelte den vom Winter stumpfen Zopf, richtete die spitze Nase auf ihren Mann und antwortete: »Vielleicht tu ich's, wenn er dir einmal so steht.«
Hatulakars einziger Zahn blitzte, als er seine Hand auf die runde Eichel legte. »Freyr, gib, daß dieser Hengst mehr als genug für dich zu geben hat, du alte Stute«, sagte er und zog liebevoll an ihrem Zopf.
Thalir, einer der jungen Männer aus dem Dorf, lachte anzüglich und schob Agantiwars blasses Töchterchen Hildgun vor den Gott. Dann sang er:
»Mehr als lebendig wirst du sein / sicher keine Ruhe haben
Auch keine Langeweile / mit dem Ding da zwischen deinen Beinen«,
und faßte mit beiden Händen nach ihrem Gesäß. Nach einem Hungerwinter war das Mädchen zu schwach, um schnell davonzuspringen, aber sie schrie auf, raffte die Röcke und entzog sich ihm. Talir wollte sie mit seinen langen dünnen Armen greifen, übersah dabei aber eine Bank; er stolperte und fiel unter dem Gelächter aller wie eine hohe dünne Kiefer der Länge nach auf den Boden. Hildgun rächte sich, indem sie ihm die Haare zerzauste. Dann trat sie vor den Gott, strich mit den Fingern über Freyrs Phallus und sagte: »Laß mich einen besseren Mann als Talir heiraten.« Der alte Tati, Talirs Großvater, fuhr sich mit der Zunge über die zahnlosen Lippen und lachte. »Wer die Wahl hat, hat die Qual! Wünsch dir lieber etwas anderes...« Als alle den Gott berührt hatten, erhoben sich Siglind und Siggeir und traten zusammen vor. Plötzlich wurde es still in der Halle. Siglind legte langsam die Hand auf die apfelglatte Rundung, und Siggeirs knotige Finger umfaßten ihre Hand. Freyrs tief in der Erde verwurzelte Kraft und Wärme strömte durch sie hindurch und hüllte sie ein. Ihr Herz wurde besänftigt von seiner Sanftheit und Macht, wie Siglind sie nur in den Armen ihres Vaters gekannt hatte. Jetzt aber fühlte sie sich unerschütterlich sicher und mehr geliebt als damals, als sie Wals' Halle verließ. Freyr, betete sie, Fro Ingwe, gebt mir die Kraft, einen echten Wälsung zu gebären. Segnet meinen Sohn mit der ganzen Fülle der Erde und auch mit der Kriegermacht, damit er so stark werde wie die Hengste der Drichten und tapfer im Kampf wie ein wilder Keiler. Möge er ein wahrer Fro sein, der Land erobert und es im Frieden sicher und fruchtbar beschützt... Einen Augenblick lang hatte Siglind das Gefühl, als Antwort auf ihr Flehen ein warmes Prickeln im Leib zu spüren, als leuchte ein goldenes Korn hell in der Dunkelheit der Erde.
*
Die Männer mußten die geschwächten Rinder durch die Schlammspuren von Freyrs Wagen hinaus auf die Weide eher tragen als treiben; zwei verendeten am ersten Tag im Freien, aber die anderen fraßen gierig das zarte grüne Gras. Bald fiel das stumpfe Winterfell in großen Büscheln von ihnen ab, und darunter kam glänzend das neue Fell zum Vorschein. Das Muhen drang Abend für Abend lauter und kräftiger durch die blaßgraue Luft. Jedermann arbeitete von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf den Feldern. Furchen wurden durch die schlammige Erde des Frühsommers gezogen und die Saat ausgebracht. Selbst Siggeir stapfte durch den Schlamm, sprach aufmunternd mit seinen Leuten, bückte sich hin und wieder, um einen Stein aufzuheben und an den Feldrand zu werfen oder um ein Saatkorn etwas tiefer in den nassen Boden zu drücken. Trotz seiner nächtlichen Bemühungen floß an den Vollmonden von Hreth und Eostre Blut aus Siglinds Leib. Die Runen, die Sigmund ihr in den Träumen zeigte, wirkten wie verschlossene Tore und verhinderten, daß sie wieder schwanger wurde; mochte Siggeir auch mit aller Leidenschaft dagegenstoßen, er würde die erstarrte Mauer nicht durchbrechen, wenn er mit ihr schlief.
Siggeirs Gefolgsleute und die Bauern erschienen abends wieder in der Halle.
Weitere Kostenlose Bücher