Rheingrund
Anstrengungen, die über das Ausleeren des Futternapfs hinausgingen. Norma öffnete die Mail und fand eine überraschende Neuigkeit vor: Marcel Thimm hatte Bieler gefunden!
Mit der Unterstützung eines australischen Detektivs sei er dem Gesuchten wider Erwarten doch noch auf die Spur gekommen, lautete die Nachricht. Die Nachforschungen waren durch die Tatsache erschwert worden, dass Kai Kristian Bieler den Namen seiner Frau angenommen hatte. Inzwischen nannte er sich Kai K. Lambert. Er arbeitete nach wie vor als Dokumentarfilmer. Und lebte seit einigen Jahren in Berlin!
»Die deutsche Adresse«, schrieb Marcel, »wirst du wohl selbst herausfinden. Wann besuchst du uns endlich? Tasmanien erwartet dich. Herzliche Grüße nach Wiesbaden!«
7
Mittwoch, der 16. April
Als Norma am Morgen darauf die Wohnung verließ und die Treppe hinunterstieg, wurde sie von einem Ziehen in den Beinen gemahnt, das Lauftraining in Zukunft klüger zu dosieren. Sie könnte sich für einen Yogakurs bei Ruth Diephoff anmelden, um einen Ausgleich für Körper und Geist zu finden, überlegte sie, als sie mit steifen Schritten die wenigen Meter über den Gehsteig zurücklegte. Das Schaufenster trennte die Haustür vom Büroeingang. Gegenüber hob die Bäckersfrau grüßend die Hand. Nachdem Arthurs Unauffindbarkeit bekannt wurde, hatte die Nachbarin sie ins Herz geschlossen und begegnete ihr mit respektvoller Liebenswürdigkeit. Leopold wartete auf der Fensterbank und machte einen Buckel, bevor er Norma in den Laden folgte und lautstark sein zweites Frühstück einforderte. Die erste Mahlzeit servierte ihm Eva, bevor sie in die Schule fuhr.
Norma öffnete eine Dose, füllte den Inhalt um und stellte die Futterschüssel auf das Podest. Der Kater fiel darüber her wie ein ausgehungerter Löwe. Auf dem Schreibtisch lag der Zettel, auf dem sie die Ergebnisse der abendlichen Recherchen notiert hatte. Sie setzte sich mit dem Vorsatz, nicht an den Brief in der Schublade zu denken, und sah auf die Uhr. 8.30 Uhr. Ob Inga schon im Büro war? Sie wollte zuerst mit dem Mädchen sprechen, bevor sie Ruth anrief.
Tatsächlich war Inga sofort am Telefon und meldete sich im distanziert-freundlichen Sekretärinnentonfall, der in eine aufgeregte Mädchenstimme umschlug, als Norma ihre Neuigkeiten verkündigte.
»Du hast meinen Vater gefunden!«
»Langsam, Inga! Ich habe Lamberts alias Bielers Adresse ausfindig gemacht. Ob er dein Vater ist, steht in den Sternen. Weiß Bernhard inzwischen von dem Testergebnis?«
»Martin hat mir nahegelegt, damit zu warten. Ich soll mir die Konsequenzen genau überlegen.« Es könnte Ärger geben, erklärte sie, ohne auf die Art dieses Ärgers einzugehen.
»Aber Martin Reber wolltest du dich anvertrauen?«
Sie habe sein Wort, dass er nichts verrate, meinte Inga zuversichtlich. Auf ihn könne sie sich verlassen; schon ihr Leben lang. »Martin ist ein echter Freund.«
Norma betrachtete den Kater, der seinen Napf geleert und sich auf den Besucherstuhl zurückgezogen hatte. Dort lauerte er wie die Sphinx mit angezogenen Pranken. »Und Ruth?«
Inga zögerte. »Ich will nicht, dass sie sich aufregt. Gerade jetzt! Bald jährt sich der Tag, an dem Marika fortging. Das nimmt sie jedes Jahr so sehr mit. Versprichst du mir, das mit meinem Vater vorerst für dich zu behalten?«
»Dein Wunsch bringt mich in die Klemme. Ruth ist meine Mandantin. Sie hat ein Recht auf alle Informationen.«
»Auch wenn man ihr damit wehtut? Bitte, Norma! Lass uns abwarten.«
Norma atmete tief durch. »Ich kann dich verstehen, du willst deine Großmutter schonen. Einverstanden. Ich erzähle Ruth nur, dass ich Lambert gefunden habe. Deinen Vaterschaftsverdacht behalte ich noch eine Weile für mich. Ich werde Ruth fürs Erste auch nichts von dem DNA-Vergleich erzählen. Zufrieden?«
Inga bedankte sich und fragte gespannt: »Bin ich jetzt auch deine Mandantin? Schließlich suchst du nach meinem Vater.«
»Du solltest dich nicht zu sehr in diese Idee verrennen, Inga. Meine Mandantin ist und bleibt allein Ruth. Allerdings, ich muss allen Spuren nachgehen, und dazu gehört auch dein Problem.«
»Und dieser Lambert ist ganz bestimmt Kai Kristian Bieler?«
Alles spräche dafür, versicherte Norma. Sie hatte bis in die Nacht das Internet durchstöbert und war neben allerlei Pressemeldungen und Informationen zu den Dokumentarfilmen schließlich auf einen Lebenslauf des Filmemachers gestoßen. Kai Kristian Bieler stammte aus Dresden, wuchs in der DDR
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