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Rheingrund

Rheingrund

Titel: Rheingrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Kronenberg
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auf und studierte noch zu DDR-Zeiten an der ›Deutschen Hochschule für Filmkunst‹ in Potsdam-Babelsberg. Über einen Abschluss verriet die Quelle nichts. Mehrere Jahre in Bielers Leben blieben im Dunkeln. Die Informationen setzten erst im Jahr 1990 wieder ein. Nach der Wende ging Bieler in den Westen, nach Wiesbaden, um dort in der Film- und Medienagentur eines gewissen Bernhard Inken zu arbeiten. Bald darauf reiste er nach Tasmanien und kehrte erst Jahre später nach Europa zurück. Inzwischen nannte er sich Lambert und hielt sich in Berlin auf, sofern er nicht beruflich auf Reisen war. Der Lebenslauf schloss mit einer Auflistung verschiedener Film- und Fernsehpreise, die ihm verliehen wurden. Schließlich entdeckte Norma ein älteres Interview aus einem Filmmagazin, das der Dokumentarfilmer in Australien gegeben hatte. Einige wenige Sätze galten der Familie. Danach traf er in Tasmanien auf die Journalistin Silvia Lambert und deren Sohn Lenny; die Frau und das Kind auf dem Foto, wie Norma vermutete. Das Paar heiratete und zog nach Australien um. Bieler nahm den Namen seiner Frau an und adoptierte das Kind.
    Inga hatte schweigend zugehört. Als Norma nach den Jugendfreundschaften der Männer fragte, wurden im Hintergrund Stimmen laut, und Inga erklärte flüsternd, sie würde zurückrufen. Kurz darauf zeigte das Display eine Handynummer an.
    »Hier auf dem Balkon kann ich frei reden«, erklärte das Mädchen eifrig. »Bernhard, Martin und Kai gehörten zu einer Clique. Bernhard kam zuerst in den Westen. Mit einem Umweg über Bulgarien und Griechenland gelangte er nach Wiesbaden. Martin folgte ein paar Jahre darauf, soweit ich weiß. Auf jeden Fall gab es noch die DDR.«
    Norma fragte nach der Gruppe, der die jungen Männer angehörten.
    »Das waren lauter filmverrückte junge Leute, sagt Bernhard immer. Er besitzt noch die Filme, die sie als Schüler gedreht haben. Schmalfilme. Bernhard hat sie auf DVD übertragen und beim letzten Sommerfest der Agentur vorgeführt. Er ist furchtbar stolz darauf, obwohl die Filme … na ja, nicht mein Geschmack. Angeblich sind die Filme das Einzige, das er in den Westen mitnehmen wollte.«
    »Wie ist er geflüchtet?«
    »Er hatte sich in der Rückbank eines Autos versteckt. Dabei ist er fast erstickt und hat Todesängste ausgestanden. Als Kind musste ich mir die Geschichte wieder und wieder anhören. Seine Heldentat! Ein paar Jahre später hat er Martin rübergeholt, wie er es nennt. Hat die Fluchthelfer bezahlt und Martin bei sich aufgenommen.«
    Für wie lange mag man danach in der Schuld des anderen stehen?, überlegte Norma.
    Inga fragte, was als Nächstes geschehen würde.
    »Ich will mich mit Lambert treffen und ihn nach deiner Mutter fragen.«
    »Du fährst nach Berlin? Redet ihr auch über mich?«
    »Wenn du möchtest. Das ist deine Entscheidung.«
    »Kannst du ihm nicht heimlich ein paar Haare …? Ich fälsche die Unterschrift für den Test. Das hat beim letzten Mal super funktioniert.«
    »Wir sollten mit offenen Karten spielen, Inga.«
    »Wenn es sein muss … Dann erzähle ihm von mir.«
    »Ich melde mich, wenn ich aus Berlin zurück bin«, versprach Norma. »Jetzt möchte ich deine Großmutter anrufen.«
    Ruth sei den ganzen Vormittag unterwegs, gab Inga zu bedenken. Die Großmutter sei früh am Morgen mit Arlo aufgebrochen, um bei Kaub ein Stück des Rheinsteigs abzulaufen. Ohne Handy. Mobiltelefone lehne sie ab.
    Wieder der Rheinsteig, dachte Norma, als sie das Gespräch beendet hatte. Das Thema schien allgegenwärtig. Ein Artikel fiel ihr ein, den der ›Kurier‹ in der Wochenendausgabe gebracht hatte. Sie suchte die Zeitung aus dem Altpapier heraus und legte den Abschnitt beiseite, damit sie den Bericht später in Ruhe lesen konnte. Durch so viel Aktivität belästigt, flüchtete Leopold auf das Regal hinauf.
    Also war Lambert der Nächste, wenn Ruth nicht zu erreichen war. Seine privaten Adressdaten hatte sie am Abend über die Telefonauskunft gefunden. Unter dem Privatanschluss lief eine Ansage mit einer Geschäftsnummer. Norma kritzelte die Zahlen auf einen Notizblock. Bevor sie dort anrufen konnte, meldete sich ihr Handy. Gedämpft und kaum hörbar läutete es von der Garderobe herüber, die nicht mehr war als eine Hakenleiste an einer weißen Wand. Wohlwollende Besucher bezeichneten den Raum mit den weißen Wänden, dessen Mobiliar aus dem überfüllten Regal, dem Schreibtisch und zwei Stühlen bestand, als gewollt minimalistisch. Andere empfanden ihn als

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