Rheingrund
nichts! Die Polizei wird Blutspuren finden. Marikas Blut! Am Montag wird die Hütte durchsucht.«
Als erfordere diese Nachricht eine neue Taktik, schwieg Inken einen Augenblick, bevor er einlenkend sagte: »Zugegeben, ich habe gelogen. Ich habe Martin all die Jahre gedeckt. Weil er mein Freund ist. Sicher, das war ein unverzeihlicher Fehler. Doch wenn man erst einmal verstrickt ist in eine solche Lügengeschichte, kommt man schwer heraus. Und Marika hätte die Wahrheit nicht wieder lebendig gemacht. Martin sollte seine Familie aufgeben und mit ihr zusammenziehen. Daraufhin verlor er die Nerven und stieß sie gegen das Rüttelpult. Es war keine Absicht, aber der Schlag hat sie getötet.«
Sein beharrlicher Widerstand, die Worte, mit denen er sich verteidigte, all das zusammengenommen besaß Überzeugungskraft, musste Norma ihm zugestehen. Immerhin war nicht auszuschließen, dass sich Martin Reber mit seiner letzten Aussage reinwaschen und die Tat dem Freund aufbürden wollte.
Ruth war am Zug. »Du bist schamlos, Bernhard! Martin ist nicht der Mörder, sondern der Zeuge. Er kehrte zurück, um sich mit Marika zu versöhnen, und musste zusehen, wie du ihr das Leben nahmst.«
Inken schob sich einen Schritt zur Seite. »Davon stimmt kein Wort!«
»Im Gegenteil. Hättest du ihm sonst die Falle am Rheinsteig gestellt?«
»Er wollte mich erpressen. Seine Version hätte gegen meine Aussage gestanden. Das spielt jetzt keine Rolle mehr.«
»Du irrst dich. Martins Aussage hat seinen Tod überdauert«, behauptete Ruth mit fester Stimme.
Auch sie pokert, dachte Norma und vergewisserte sich, dass das Beweismittel sicher in ihrer Hosentasche verwahrt war. Aus der Jackentasche zog sie das Handy und tauschte einen raschen Blick mit Ehlers.
»Martin lügt doch!«
Dieses Mal widersprach Ruth ihm nicht. »Ein Lügner und Heimlichtuer, der mich unendlich enttäuscht hat. 15 Jahre lang hat er geschwiegen und zugesehen, wie ich mich quäle und wie Inga leidet. Aber über den Abend, an dem Marika sterben musste, spricht er die Wahrheit.«
Die Risse in Inkens Widerstandskraft vertieften sich. »Wenn du dir so sicher bist: Warum hast du mich nicht längst an die Polizei verraten?«
»Weil ich jetzt die Wahrheit wissen will. Wo hast du Marikas Leiche gelassen? Was hast du Inga angetan?«
»Wieso Inga?«, gab er sichtlich verblüfft zurück. »Was soll mit Inga sein? Sie ist doch bei dieser Freundin, oder nicht?«
»Kein Ausflüchte! Antworte!« Sie riss die Hand aus der Gürteltasche und zog einen Revolver hervor. Mit der Waffe in beiden Händen zielte sie auf Inkens Brust. »Falls du dich fragst, ob ich damit umgehen kann: Die Antwort heißt ja. Erinnerst du dich an die Wildschweine, die unsere Weinberge verwüsteten? Weil die Jäger nichts dagegen unternahmen, hat mein Mann den Revolver besorgt. Wir haben abwechselnd Wache gehalten und geschossen, wenn es sein musste. Bleib, wo du bist!«
Mit flinken Fingern schrieb Norma eine SMS. Unten in der Hütte zog Inken den Fuß zurück.
Ruth legte den Daumen auf den Hahn und spannte ihn mit einem Griff, der Übung verriet. »Wo ist Inga?«
»Ich könnte Inga niemals etwas antun!«, brüllte er.
»Wo ist Marika?«
»Hat Martin dir das nicht verraten?«
»Er war zu schwach. Gegen Ende ist seine Stimme nicht mehr zu verstehen. Wie hättest du es gern? Das Bein zuerst?«
Inken wich bis zur Wand zurück. »Mach dich nicht unglücklich!«
Sie senkte die Waffe um eine Handbreit. »Unglücklicher als heute kann ich nicht werden.«
Ehlers erhob sich auf die Knie. Norma wollte den Anwalt zurückhalten, aber er legte den Finger auf die Lippen und kroch los.
In der Hütte richtete Ruth unbeirrt die Waffe auf Inken. »Wo hast du meine Tochter verscharrt?«
Er schüttelte stumm den Kopf.
Ruth drückte ab. Der Schuss krachte. Zentimeter vor Inkens Füßen schlug die Kugel ein und zerschlug eine Holzdiele.
Norma duckte sich hinter die Bretterwand und schrie: »Polizei! Lassen Sie die Waffe fallen!«
Erschrocken sah Ruth zum Fensterband hinauf, und Inken nutzte die Verwirrung und sprang vor. Norma konnte erkennen, wie er die Waffe an sich riss und die Tür aufstieß. Dann war er draußen und ließ Ruth ohne die ersehnte Antwort zurück.
Draußen vernahm Norma Ehlers’ lauten Befehl: »Stehen bleiben!«
Ein Poltern und die Laute eines Zweikampfs. Auf der Straße bellte der Hund wie rasend.
34
Nur kurz hielt sie nach Inken Ausschau, der den Pfad bergauf hetzte, und eilte zu Ehlers. Der
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