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Rheingrund

Rheingrund

Titel: Rheingrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Kronenberg
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ist?«
    »Versuchen wir es zuerst in der Agentur.«
    Er schlug das Lenkrad ein und bog nach links ab, um den Weg über Georgenborn nach Wiesbaden zu nehmen.
    Norma beobachtete den Plüschhasen, der beschaulich vor sich hin schaukelte. »Was treibt Sie eigentlich an? Mir ist bisher kein Anwalt begegnet, der sich für einen Mandanten den Nachmittag im Wald um die Ohren schlägt.«
    »Dafür kannte ich bisher keine Privatdetektivin, die sich den Nachmittag im Wald um die Ohren schlägt, ohne überhaupt einen Mandanten zu haben!«
    »Wie viele Privatdetektivinnen kennen Sie?«
    Er lachte. »Vermutlich weniger, als Sie Anwälte kennen.« Mit einem Blick in den Außenspiegel bremste er ab und ließ einen eiligen Autofahrer überholen. Ernsthaft fuhr er fort: »Als junger Mann besaß ich wahrhaftige Ideale. Ich wollte Anwalt werden, um den Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen. Mein Traum war eine ebenso kleine wie feine und unabhängige Kanzlei. Soviel zu den Luftschlössern eines Berufsanfängers. Gleich mit meinem ersten Job lernte ich die raue Wirklichkeit kennen. Zu oft bleibt die Gerechtigkeit auf der Strecke. Die Nase vorn hat derjenige mit den besseren Nerven, den vertrackteren Kniffen und den skrupellosesten Rechtsauslegungen. Der Mann, der mein Schwiegervater war, ist ein Meister seines Fachs. Nur in einem ist er gescheitert: aus mir den ersehnten Nachfolger zu schnitzen. In seinen Augen und denen seiner Tochter bin ich ein Versager.«
    Norma schaute auf die vorbeiziehenden Bäume, deren Blattgrün, so erschien es ihr, sich innerhalb weniger Stunden vervielfacht hatte. »Und wie sehen Sie sich selbst?«
    »Auf einem steinigen Weg zurück zu den Anfängen.«
    »Also handeln Sie«, stellte sie nüchtern fest, »in erster Linie aus Eigennutz.«
    »Wenn Sie das so sehen«, entgegnete er gelassen. »Wer ist schon zum Altruismus berufen? Vielleicht will ich mir selbst etwas beweisen. Oder meiner Exfrau und dem ehemaligen Chef mit diesem Idealismus eins auswischen. Was auch immer dahinter stecken mag: Ich habe die ehrliche Absicht, Kai Kristian Lambert von dem Mordverdacht zu befreien.«
    Wieder einmal wurde ihr bewusst, dass sie Ehlers in wenigen Wochen im Gerichtssaal gegenüberstehen müsste. Mit einem vorwurfsvollen Klang, den sie nicht beabsichtigt hatte, fragte sie, ob er mit gleichem Engagement einem überführten Mörder zu einer milden Strafe verhelfen wollte. »Der andere Mandant ist kein Unglückswurm wie Lambert. Sondern gerissen und skrupellos, und er gehört zu genau den Menschen, die Sie nicht mehr vertreten wollten!«
    Er ließ sich nicht auf ihren Zorn ein. »Jeder Mensch hat ein Recht auf Verteidigung, das muss ich Ihnen nicht erklären. Wollen Sie wirklich, dass dieser Mann zu lebenslänglich mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt wird?«
    »Fragen Sie mich besser nicht nach dem Strafmaß. Mir könnte womöglich eine politisch unkorrekte Antwort einfallen.«
    Der Wald öffnete sich zu einem grünen Tal. Auf der Anhöhe tauchten die Hochhäuser von Klarenthal auf. Ehlers bremste vor einer Ampel . »Mein Mandant ist in dem guten Glauben, er sei Ihnen nicht gleichgültig.«
    »Er ist ein Lügner! Merken Sie das nicht?«
    Es fiel kein Wort mehr, bis sie den westlichen Stadtrand durchquert und an dem kleinen Park mit knorrigen Eichen angelangt waren, der dem Medienzentrum gegenüberlag. Ehlers steuerte den Parkplatz an.
    Norma schaute sich nach allen Seiten um. »Wir sind zu spät. Kein Jeep zu sehen!«
    »Lassen Sie uns trotzdem in der Agentur nachfragen.«
    Sie wurden von einer rundlichen Sekretärin in Empfang genommen. Der Chef sei soeben losgefahren, gab sie zur Antwort und wirkte auffällig beunruhigt.
    Norma fühlte sich sofort alarmiert. »Ist etwas passiert? Geht es um Inga?«
    »Sie kennen Inga?«
    »Gut genug, um mir Sorgen zu machen! Ich bin die Privatdetektivin, die nach Ingas Mutter sucht. Bitte sagen Sie mir, was geschehen ist!«
    Die Sekretärin rang mit einer theatralischen Geste die Hände. »Wenn ich das selbst verstehen würde! Bernhard hat einen Brief bekommen.«
    Eine Frau mit dem Talent für dramatische Auftritte! Norma wurde um eine Nuance lauter: »Was für einen Brief?«
    »Von seiner Frau!«
    Jetzt war es an Norma, sich zu wundern. »Von Marika?«
    Inkens Angestellte nickte ehrfürchtig und hauchte: »Von einer Toten!«
    Norma wechselte einen Blick mit Ehlers. »Tote schreiben keine Briefe!«
    »Aber Marika hat unterschrieben! Das habe ich mit eigenen Augen gesehen.

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