Rhönblut: Kriminalroman (German Edition)
mit den Vorschriften wohl nicht allzu ernst genommen. Aber Sie können Herr Hübner gerne selbst fragen, er kann ihnen sicherlich mehr dazu sagen.«
»Herr Hübner?«
»Ja, der Mann auf dem anderen Foto neben den Herren ist unser Mitarbeiter Karl Hübner. Er ist damals einer unserer Männer vor Ort gewesen. Ein langjähriger, erfahrener Mitarbeiter. Er hat doch keine Probleme, oder?« Die Stimme des Firmenchefs klang besorgt.
»Das können wir Ihnen leider noch nicht sagen. Können wir mit Herrn Hübner sprechen?«
»Natürlich. Ich lasse ihn sofort durchrufen. Wenn Sie gerade dranbleiben möchten.«
Herr Pollmann gab seiner Sekretärin die Anweisung, nach Herrn Hübner zu suchen. Der Kommissar wusste, dass dies eine einmalige Chance darstellte. Der Kommissar war sich sicher, dass das der Mann war, der noch auf Freitags Liste fehlte. Sie müssten Hübner also rund um die Uhr überwachen. Früher oder später würde Freitag auftauchen und ihnen ins Netz gehen.
»Hören Sie?«
»Ja.«
»Wir können uns das nicht recht erklären, aber …«
»Aber was?«
»Das ist ungewöhnlich. Hübner hatte sich gestern einen Tag Urlaub genommen und ist heute nicht zur Arbeit erschienen. Er ist aber eigentlich ein sehr zuverlässiger Mitarbeiter.«
Sie waren einen Tag zu spät auf die Spur gestoßen. Jetzt, da war sich Seeberg sicher, würde dieser Hübner sich bereits in den Fängen von Freitag befinden oder sogar schon tot sein.
43.
Der Kommissar starrte stumm zur Decke. Ammer saß ihm am Schreibtisch direkt gegenüber und blickte ab und an auf, ohne jedoch ein Wort zu sagen. Seeberg spürte die Blicke und fragte sich, ob der junge Kollege seine Unsicherheit spürte. Und wenn schon! Sollte er doch denken, was er wollte. Das Einzige, was zählte, war, Freitag ausfindig zu machen. Aber wo könnte sie mit Hübner abgetaucht sein? Sie hatten mit Hilfe von Hübners Frau rekonstruieren können, dass er gestern früh ein Bahnticket nach Fulda gelöst hatte und auch in den ICE gestiegen war. Man konnte also davon ausgehen, dass die beiden Zielpersonen sich noch in der Region aufhalten mussten. Die Fahndung nach Freitags Wagen war ja dank Ammers Übereifer sehr früh herausgegangen, so dass ihre Kollegin sicherlich nicht den Fehler machte, durch die Lande zu fahren. Aber wohin war sie untergetaucht? Ihre Wohnung war zerstört, Hotels und Pensionen wurden überprüft. Auch das wusste Freitag. Sie würde nicht mit Hübner in ein Hotelzimmergehen, wie es bei Pogatetz der Fall gewesen war.
Zunächst dachte der Kommissar, dass sie wie jeder Verdächtige versuchen könnte, bei Freunden oder Verwandten unterzutauchen. Aber es gab keine Familie mehr in ihrem Leben. Sie hatte sich in den letzten Jahren völlig zurückgezogen und war nur ihrer Rache gefolgt.
»Sie ist eine Polizistin«, murmelte er leise vor sich hin.
Ammer sah erneut zu ihm. »Was haben Sie gesagt?«
»Ach, nichts.« Seeberg vergrub seinen Kopf in beiden Händen und dachte nach. Freitag weiß, dass man sie früher oder später finden wird. Sie kennt die Abläufe und weiß, dass jeder Gesuchte irgendwann einen Fehler macht. Und sie hatte bereits einige Fehler gemacht.
Der Grabstein ihrer Schwester, die Blumen …
Seeberg nahm sich ein weiteres Mal die Fotoabzüge vor und blickte angestrengt darauf. Er hatte sie in der letzten Stunde gut ein Dutzend Mal vor sich ausgebreitet, als würde sich darin ein geheimer Code befinden, den es zu entschlüsseln galt.
Irgendwo vor ihm lag die Lösung.
Ein winziges Detail, das er übersehen hatte.
Immer wieder musterte er jeden Zentimeter auf den Fotos. Die entkleideten Leichen, die Einstiche,die zusammengelegte Kleidung, die Blumen … die Blumen. Die Blumen? Die Blumen!
Er spürte, wie das Adrenalin seine Muskeln verkrampfen ließ. Sein Magen schien sich zusammenzuziehen und sein Herz für einen Moment schneller zu schlagen.
»Ammer, die Liste.«
»Welche Liste?« Der junge Beamte schreckte hinter seinem Schreibtisch auf.
»Die Liste mit den Namen der Händler.«
»Der Blumenhändler?«
»Ja, verdammt. Beeilen Sie sich.«
»Warten Sie, die habe ich hier.«
Ammer wühlte in einem Stapel Dokumente und zog einen der Zettel hervor.
»Wir haben da nicht konsequent genug recherchiert. Wir haben uns einfach so abschütteln lassen.«
»Aber die Unternehmen haben uns doch ihre Listen übermittelt, an wen sie die Pflanzen verkauft haben. Es war nichts Auffälliges dabei. Und ansonsten gibt es keinen offiziellen Weg, sie zu
Weitere Kostenlose Bücher