Rhönblut: Kriminalroman (German Edition)
Karstensen selbst in Szene setzen lassen und sich dabei fotografiert, wie er die jungen Mädchen vergewaltigte und quälte. Nach den ersten zehn Bildern hatten die Ermittler genug.
»Machen Sie den Dreck aus! Das kann man sich ja nicht anschauen.«
Es war totenstill in dem Büro geworden. Keiner der Anwesenden sagte mehr ein Wort. Selbst für so erfahrene Beamte waren diese Bilder unerträglich.
»Ich muss mal kurz raus«, verabschiedete sich Pavlovic, und Ammer folgte ihm.
Seeberg sah zu den beiden verbliebenen Männern herüber. »Ich bin mir sicher, dass wir da auch Fotos von Julia und ihrer Schwester finden.«
Bornemann lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Na, dann fangen Sie mal an, meine Herren. Ich denke, Sie sind mir ein paar Erklärungen schuldig.«
41.
Klaus Seeberg rührte sich nicht. Über eine Stunde hatte er versucht, in den Schlaf zu finden. Unruhighatte er sich zunächst von einer Seite auf die andere gedreht, bis er es vorzog, still zu verharren. Nun lag er stumm da, lauschte seiner eigenen Atmung. Er musste sich dringend neue Medikamente besorgen. Sein früherer Arzt hatte ihm geraten, die Medikamente nur anfänglich zu nehmen, wenn die depressiven Schübe noch am stärksten waren. Doch die Schübe ließen nicht nach, sondern verstärkten sich sogar noch. Mit der Zeit dosierte er sich die verschiedenen Pillen und Tabletten selbst, und schon bald wurden sie zu seinem ständigen Begleiter, ohne die gar nichts mehr zu funktionieren schien. Die Namen der Medikamente konnte er sich nie merken, aber die Verpackungen und Logos erkannte er sofort wieder, wenn er sie in der Apotheke vor sich sah und sie in seine Taschen verstaute.
Die Eingebung traf ihn wie ein Fausthieb.
War er wirklich so blind gewesen?
Wie konnte er das übersehen haben?
Sofort saß er senkrecht. Er stand auf und eilte in die Küche. Dort hatte er die Unterlagen abgelegt, die er aus dem Büro mitgenommen hatte.
»Wo ist es?«, flüsterte er, während er in dem Stapel wühlte. Den Schlüssel zum Haus fand er sofort. Und unter den Tatortfotos schließlich auch den gewünschten Ausdruck. Die Qualität war schlecht. Aber es würde genügen. Hastig zog er sich Hose und Pulloverüber und schlüpfte in seine Schuhe. Er war von dem Gedanken so fasziniert, dass er seine Jacke an dem Kleiderhaken im Flur vergaß, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Erst als er vor die Tür trat und sein Auto öffnete, kroch die Kälte durch seine dünne Kleidung. Er fluchte, als er den Wagen anließ und in Richtung Frauenberg fuhr. Über die Leipziger Straße waren es keine zehn Minuten bis zu dem Haus der Karstensens. Als er ankam, erkannte er, dass es noch immer versiegelt war. Der Kommissar stieg über das Absperrband und öffnete das Siegel der Haustür. Dann steckte er den Schlüssel in das Schloss und drehte ihn. Die Tür ging auf, und der Kommissar trat in den dunklen Flur. Aus dem Wagen hatte er seine Taschenlampe mitgenommen, die allerdings immer wieder zu flackern begann. In dem Haus steuerte er auf die Wand mit den Bildern zu. Im Lichtkegel der Taschenlampe überprüfte er jedes einzelne.
»Wo ist es?«, fragte er sich laut. Dann sah er es. Er nahm es von der Wand und verglich es mit dem Foto, das er mitgebracht hatte. Es gab keinen Zweifel. Das Logo war identisch. Er klemmte sich die beiden Bilder unter den Arm und verließ das Haus wieder. Dann wählte er eine Nummer.
»Kohler.«
»Reinhard, du musst sofort ins Präsidium kommen. Wir treffen uns in zwanzig Minuten dort. Bringauch Ammer mit, wir können ihn vielleicht gebrauchen.«
»Was?«, stotterte Kohler mit schlaftrunkener Stimme. »Was ist los, Weißt du, wie viel Uhr es ist?«
»Komm einfach. Ich weiß jetzt, wie wir an den Namen des dritten Mannes auf dem Foto kommen können.«
»Was meinst du?«
Kohler und Ammer waren wie gefordert zwanzig Minuten später auf das Gelände der ehemaligen Kaserne geeilt, wo das Polizeipräsidium nach dem Abzug der US-Streitkräfte in der Severingstaße untergebracht worden war. Der Kommissar war bereits vor ihnen im Büro und hatte die beiden Fotos nebeneinander auf den Schreibtisch gelegt. Nun versuchte er den beiden Männern zu erklären, was er meinte. Doch zumindest Kohler konnte auch nach mehrmaligem Hinsehen nichts Außergewöhnliches daran erkennen.
»Mensch, Reinhard, dort oben, über dem Kopf von Karstensen. Das ist doch irgendein Firmenlogo.«
»Kann sein. Aber selbst wenn, was soll das schon bedeuten? Wir wissen ja nicht
Weitere Kostenlose Bücher