Richard Castle

beständige Ansammlung aus Blumensträußen und geschmolzenen Kerzen betrachtete, die zum Gedenken an die Prinzessin aufgestellt worden waren, die hier ihren Tod gefunden hatte, dachte sie über Geheimnisse nach – besonders über jene, die mit denen starben, die sie bewahrten. Sie rief sich ins Gedächtnis, dass in ihrer Welt jedes Ereignis einen Grund hatte und Zufälle einfach nur die Auswirkungen von verborgenen Gründen darstellten.
    Bis sie diese Gründe offenlegte.
    Tyler Wynns Tod war für ihn in erster Linie eine Tragödie. Für sie war es nach einer Woche voller Tode einer zu viel. Abgesehen davon versiegelte der äußerst unpassende Zeitpunkt dieses Todes eine Tür, die sich für Nikki erst halb geöffnet hatte. Der Vorfall lieferte die wohl grausamste – und zutreffendste – Definition der Phrase „auf die Folter spannen“, denn Heat hatte gerade genug erfahren, um von dem Wissen gequält zu werden, dass alles Weitere für immer außerhalb ihrer Reichweite bleiben würde.
    „Ich schätze, meine verrückten Verschwörungstheorien sind letztendlich doch nicht so verrückt“, sagte Rook.
    „Hör zu, Freundchen, bevor du vor Freude darüber einen Siegestanz aufführst, möchte ich dich an das erinnern, was man über defekte Uhren sagt.“
    „Du meinst, dass sie nicht nur richtig gehen, sondern das sogar zwei Mal am Tag? So wie ich heute auch schon zwei Mal richtig lag?“
    „Oh bitte.“
    „Riiichtig. Das ist so ein erfrischendes Wort, nicht wahr? Komm schon, gib es zu. Ich lag richtig. Onkel Tyler war ein Spion.“ Die Augen des Fahrers erschienen plötzlich im Rückspiegel. Rook lehnte sich vor und trieb sein Spielchen mit ihm, genauso wie er immer mit den Taxifahrern in New York herumalberte. „Sagen Sie ihr, dass sie es zugeben soll.“ Der Fahrer wandte den Blick ab und verstellte schnell den Spiegel, sodass sie nur noch den Witwenscheitel seines pechschwarzen Haars sehen konnten.
    Rook rutschte wieder zurück und drehte sich auf seinem Sitz herum, damit er sie ansehen konnte. „Ich verstehe nicht, warum du so trübsinnig bist, Nikki. Vor allem jetzt. Wir erleben gerade eine durchaus positive Entwicklung – es sei denn natürlich, man ist Tyler Wynn.“ Er hielt kurz inne, damit sie seine Worte wertschätzen konnte, sprach dann aber sofort weiter. „Sieh dir doch nur mal all die Antworten an, die du heute Morgen erhalten hast. Man sollte meinen, dass dich diese Informationen in Begeisterung versetzen. Immerhin hast du erfahren, dass du dir das Doppelleben deiner Mutter nicht eingebildet hast und sie es nicht führte, weil sie eine Affäre hatte. Und – wie cool ist das? – sie war eine Spionin in der Familie, genau wie Arnold in
True Lies – Wahre Lügen
. Nein, sogar noch besser: Cindy Heat war genau wie Julia Child, die im Zweiten Weltkrieg für das OSS spionierte.“
    „Da gebe ich dir recht, das ist schon etwas Besonderes.“
    „Verdammt richtig. So wie ich das sehe, könnte sie die Heldin des nächsten Romans von John Le Carré werden.“
    Dieses Mal war Nikki diejenige, sie sich an den Fahrer wandte. „Wollen Sie ihn direkt hier raussetzen?“
    Als sie zurück in ihr Hotel kamen, war auf der anderen Seite des Atlantiks in New York gerade der Morgen angebrochen. Nikki machte sich an ihrem Handy zu schaffen, während Rook sich aufmachte, um ihnen etwas zum Mittagessen zu besorgen. Detective Ochoa nahm ihren Anruf allein entgegen. Sein Partner Raley war damit beschäftigt, einem der zahllosen anonymen Hinweise nachzugehen, die das Team erhielt, seitdem Hinesburg Informationen an den
Ledger
ausgeplaudert hatte. „Das nervt total, sage ich Ihnen“, schimpfte er. „Wir müssen uns schon um genug ernstzunehmende Dinge kümmern, aber seit die Sache in die Medien gelangt ist, werden wir förmlich mit Hinweisen überhäuft. Dieser Artikel hat die Arbeit an dem Fall ins Stocken gebracht.“
    „Bei mir rennen Sie damit offene Türen ein, Miguel.“
    „Ich weiß, aber Sie sind mit Rook in Paris, und ich will tun, was ich kann, um Ihnen Ihre schöne Zeit zu verderben. Hey, vielleicht könnte ich Irons dazu bringen, mich ebenfalls zu suspendieren, dann könnten Lauren und ich auch an irgendeinen schönen Ort fahren. In Atlantic City findet eine Elvis-Versammlung statt. Ich könnte meine komplette Latino-Elvis-Nummer abziehen.“
    „Tja, bevor Sie Ihren goldenen Laméoverall anziehen, müssen Sie noch etwas für mich überprüfen.“ Sie verlangte, dass er diesbezüglich absolutes