Richard Dübell
sollen, von der aus bei Tristan Heigl angerufen wurde.«
»Wir hätten ihn nicht dazu zwingen können, das Handy rauszurücken. Wir laufen hier als Privatleute rum, Peter.«
»Die Polizei ist immer im Dienst«, sagte Peter. » Labor omnia vincit .«
Sie sahen sich an und verdrehten beide grinsend die Augen.
»Hast du sonst noch irgendwelche Pläne für diesen Abend?«, fragte Flora. »Ich würde nämlich gerne noch ein, zwei Stunden mit meiner Tochter auf meinem Balkon verbringen und nichts tun. Morgen Abend wird es etwas anstrengend werden.«
»Verdammt«, sagte Peter, »die Geisterführung.«
»Sag nicht, du hast nicht mehr daran gedacht.«
»Gut, ich sag es nicht.«
Flora schüttelte den Kopf. Plötzlich lachte sie. » Ich hab nicht mehr daran gedacht.«
»Flora … kann ich dich und Julia zum Abendessen einladen? Wir suchen uns einen schönen Biergarten …«
»Nein, Peter. Danke, aber nein.«
»Komm, Flora. Nur ein Abendessen.«
»Das ist mir jetzt zu viel. Noch dazu, wo Harald wieder hier ist … Glaubst du, das ist einfach für Julia und mich?«
»Es ist auch nicht einfach für mich«, sagte Peter.
Flora wandte sich von ihm ab und starrte durch die Windschutzscheibe. »Fahr mich nach Hause, Peter«, murmelte sie. »Ich will nicht, dass es wieder da anfängt, wo es weh tut.«
»Es muss nicht weh tun … Warum willst du nicht, dass du und ich zus …«
»Fahr mich nach Hause, Peter.«
Peter zögerte, dann stieß er die Luft aus und startete den Tank. Den größten Teil der Fahrt legten sie schweigend zurück. Der Freitagabendverkehr war mittlerweile abgeebbt, selbst das Dauernadelöhr des Verbindungsstücks zwischen A 92 und B 15 wies fließenden Verkehr auf. Es dauerte keine zehn Minuten, dann fuhr Peter vor dem gepflasterten Weg, der zum Eingang von Floras Wohnblock führte, an den Straßenrand. Flora schaute immer noch geradeaus. Sie löste den Gurt, dann griff sie in die Gesäßtasche ihrer Jeans und zog einen zerknitterten Zettel heraus.
»Schenk ich dir«, sagte sie und ließ ihn in seinen Schoß fallen. Sie war aus dem Auto, bevor Peter den Zettel umgedreht hatte. Es war eine Supermarktrechnung für Lebensmittel. Auf der Rückseite stand eine hastig hingekritzelte Nummer.
Peter beugte sich über den Beifahrersitz und hielt die Tür auf, als Flora sie zuschlagen wollte. »Was ist das?«, fragte er.
»Die Telefonnummer, die bei Tristan Heigl auf dem Display aufgeleuchtet hat, als der Anruf kam. Kann schon sein, dass er keine SIM -Karte in seinem Handy hat. Wenn nicht, hat ihn jemand in das WLAN des Seniorenheims eingeloggt. Das ist nämlich nicht gesichert – ich hab’s vorhin ausprobiert. Schönen Abend, Peter.«
45 .
Peter schob sich mit dem Tank in die enge, parallel zur Altstadt verlaufende Gasse hinein, die beim Dreifaltigkeitsplatz abzweigte und an der auch sein Wohnhaus stand. Hundert Meter weiter oben mündete die Gasse wieder in die Straße. Die Parkplätze hier waren Anwohnerparkplätze – chronisch zu wenig und vor allem zu eng für ein Schlachtschiff wie den Volvo. Ein Pkw rangierte direkt vor Peters Haustür herum, um in einen der Parkplätze zu kommen.
Der Zettel mit der Telefonnummer, die Flora notiert hatte, lag auf dem Beifahrersitz. Peter sah ihn aus dem Augenwinkel. Sollte er dort anrufen? Eine innere Stimme sagte ihm, dass er es nicht tun sollte.
Und wenn es nur die Nummer irgendeines Verwandten war, der sich erkundigen wollte, wie es Tristan Heigl ging? Aber warum war der alte Mann dann nicht ans Telefon gegangen? Und wie viele Verwandte könnte Tristan Heigl haben, die sich telefonisch nach seinem Zustand erkundigten, wenn er mit denen, die seine Nachbarn gewesen waren, über Kreuz war, offiziell kein Telefon besaß und außerdem nicht sprechen konnte?
Wenn es die Telefonnummer von Eric Heigl war? Was würde das bedeuten? Dass Eric seinen Vater ins WLAN des Heims gehackt hatte, damit er für ihn keinen Handy-Vertrag bezahlen musste? Und was würde es bedeuten, dass Eric, der seit Natalie Seitz’ Tod abgängig war, seinen Vater anrief?
Was würde geschehen, wenn der Besitzer der geheimnisvollen Nummer abnahm und Peter am Apparat hatte?
Erneut meldete sich Peters innere Stimme und riet ihm, nicht jetzt schon durch einen Anruf preiszugeben, dass er die Telefonnummer hatte.
Die innere Stimme des Polizisten fand hingegen, dass man einer Spur sofort nachgehen musste und dass Peter lieber jetzt als später die Telefonnummer ausprobieren sollte. Sie fand
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