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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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eingestehen müssen, daß er niemals unbehelligt bis nach Wien gelangen würde, um seinen höchst abenteuerlichen Selbstmord in die Tat umzusetzen. Beziehungsweise von Barwick und seinen Leuten umsetzen zu lassen. Weshalb er dazu übergegangen war, eine Improvisation vorzunehmen. Die ihm auch gelungen war. Denn wenn schon sein beabsichtigter Unterwassertod nicht hatte stattfinden können, so war er zumindest in der Lage gewesen, sich am Rande eines Pools recht effektvoll eine Kugel in den Kopf zu jagen. Dazu kam die Freude ob der Perfidie, ausgerechnet Lukastik nach Wien zu schicken, auf daß dieser seinen »Vertreter« spiele. Daß Lukastik sich jedoch tatsächlich als Egon Sternbach ausgeben würde, damit hatte auch Sternbach nicht rechnen können. Aber gewiß war ihm eine solche Idee durch den Kopf gegangen. Er hatte die günstige Verwicklung von Zufall, Schicksal und Blödheit ersehnt.
    Und beinahe wäre seine ganze Hoffnung auch in Erfüllung gegangen. Beinahe.
    »Eine erstaunliche Anpassung an die Lebensumstände«, erklärte Erich Slatin und wechselte die Position seiner Beine, so daß nun ein anderes Stück weißer Haut aufleuchtete. Dann wurde er genauer: »Zwar handelt es sich wie erwartet um Haie von der Art Carcharhinus leucas, aber, wenn Sie so wollen, um eine modifizierte Form. Modifiziert und perfekt. Nicht jede Blindheit ist schließlich ein Schaden.«
    Lukastik richtete sich ein wenig auf, lächelte müde und fragte: »Blind?«, so wie man fragt: Sozialist?
    »Ja«, sagte Slatin, »zumindest die beiden Exemplare, die man aus dem Wasser gezogen hat. Auch sind sie etwas kleiner, als man das von Swan River Whalers gewohnt ist. Ich nehme an, auf Grund einer gewissen Enge der Höhlen. Die Blindheit ist logisch. Dort unten gibt es nichts, was man mit den Augen schauen könnte. Ansonsten sind die Charakteristika der Art völlig erhalten. Dazu kommt natürlich eine totale Anpassung an die katastrophale Wasserqualität. Eine Kloake, doch die Fische scheint das nicht zu stören. Im Gegenteil. Sie ernähren sich vom Abfall, den es praktisch aus den Röhren regnet. Man muß sich das vorstellen, wir haben ein halbes Rind gefunden.«
    »Wie kamen die Haie dort hinunter?« wollte Lukastik wissen.
    »Da muß ich jetzt ein wenig spekulieren«, sagte Slatin, »aber ich glaube, wir können davon ausgehen, daß diese Fische keine Österreicher sind, zumindest nicht von ihrem Ursprung her, und daß dieser See auch sicher keine Ursuppe der Stadt Wien darstellt. Andererseits benötigen genetische Veränderungen, wie diese Tiere sie erfahren haben, natürlich ihre Zeit, zumindest ein paar Generationen. Dazu kommt, typisch für die Art, eine lange Phase der Trächtigkeit sowie eine späte Geschlechtsreife der Männchen. Wobei ich nicht ausschließen kann, daß sich auch diesbezüglich eine neue Variante entwikkelt hat. Eine städtisch flinke. Jedenfalls bin ich von der Annahme ausgegangen, daß der Beginn dieser Geschichte ein paar Jahrzehnte zurückliegen muß. Ich habe in den Archiven Ausschau gehalten und bin auf einen Flugzeugabsturz gestoßen, der einiges erklären könnte. Das war 1963, zehn Jahre bevor man begonnen hat, den ersten Häuserblock zu errichten. Damals befand sich auf dem Gelände eine weitflächige Baumschule.«
    »Meine Güte, was für ein Flugzeug?« fragte Lukastik, der durchaus – und sei es aus Erzählungen – Kenntisse der frühen sechziger Jahre besaß und wohl kaum etwas derart Dramatisches aus seinem Gedächtnis verbannt hätte.
    »Nichts Besonderes«, winkte Slatin ab, »eine kleine Propellermaschine. Der Pilot mußte wegen eines brennenden Motors notlanden und hat es eben bloß noch geschafft, in diese Baumschule hineinzukrachen. Er und sein Begleiter sind mit ein paar Kratzern davongekommen. Schlechter ist es ein paar von den Versuchstieren ergangen, die sich in dem kleinen Laderaum befanden. Das Flugzeug gehörte einem italienischen Chemiekonzern. 1963 war eine Zeit, da sich das Mitleid mit Versuchstieren noch in beträchtlichen Grenzen gehalten hat. Wenn man die Tageszeitungen von damals liest, klingt eher so etwas wie Humor an. Humor angesichts toter Äffchen und toter Mäuse im Gestrüpp demolierter Jungtannen. Auch von Fischen ist die Rede. Das hat die Kommentatoren besonders belustigt, die Vorstellung vom Himmel gefallener Fische.«
    »Und Sie wollen mir jetzt also weismachen  …«
    »Ich will sicher nicht behaupten«, beeilte sich Slatin zu erklären, »daß ein drei Meter langer

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