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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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verdampfte und einen blasenartigen Raum tropischen Klimas erzeugte.
    In den Kreisen der Wiener Polizei jedoch galten die beiden Männer als kongenial. Manche meinten sogar, die zwei seien sich freundschaftlich verbunden. Lukastik und Jordan nahmen solche Gerüchte und Vermutungen mit der Gelassenheit langjährig Leidender hin.
    Während Peter Jordan gesprochen hatte, war Lukastik einen kleinen, schnellen Schritt zur Seite getreten. Dennoch hatte die »tropische Blase« flüchtig seine Wange berührt. Er verzog unmerklich das Gesicht, nahm seinen Blick vom Himmel und sah hinunter auf die stellenweise glatte, dann wieder vom Wind gefaltete und gekämmte Wasserfläche des Schwimmbades. Endlich sagte er: »Holt ihn raus!«
    »Wie rausholen?« fragte Jordan und stützte die Hände in seine geraden Hüften. Der ganze Mann war in erster Linie gerade. Nicht steif und schon gar nicht straff, sondern einfach gerade, so wie Wände gerade sind oder Fassaden oder gewisse runde, große Flächen, wenn man mit der Nase an ihnen klebt. Seine Geradheit war ohne Charme, aber auch ohne Aufdringlichkeit. Alle sahen das so. Nur Lukastik nicht, welcher Jordans Geradheit einen buckligen Hintergrund unterschob. Und somit irgendeine Verlogenheit witterte.
    »Vorsichtig halt«, sagte Lukastik. »Die Taucher sollen das machen. Und auch gleich nachsehen, ob sie auf dem Boden des Bassins etwas finden. Etwas, das uns weiterhilft.«
    »Ja, das wäre nicht schlecht. Vielleicht ein paar Zähne.«
    Der jetzt gesprochen hatte, war der zuständige Polizeiarzt Dr. Paul, ein kleiner Mann mit schiefer Krawatte, der vor allem bekannt war für die Schönheit seiner viel jüngeren Frau, deren selbstverständliche und radikale Treue den meisten ein Rätsel und ein Ärgernis war.
    Wenn Jordan in erster Linie gerade war, dann war Dr. Paul primär gekrümmt. Er besaß eine gebeugte, arthritische Haltung, eine rundliche Figur, brünettes, gekräuseltes Haar sowie ein volles Gesicht, das auch an trockenen Tagen einen feuchten Glanz besaß. Er war weder reich noch eine bedeutende Persönlichkeit. Er war verglichen mit seinem akademischen Grad ein absolutes Nichts. Er erfüllte eine Rolle, wie Polizeiärzte sie auch in Filmen verkörpern, wenn sie als erste eine Leiche begutachten und völlig unbedeutende und zudem ungenaue Kommentare zu Tatzeit und Hergang abgeben, um in der Folge von weit kompetenteren Gerichtsmedizinern abgelöst zu werden.
    Dennoch war Dr. Paul geachtet wie kaum jemand innerhalb des kriminalistischen Apparates dieser Stadt. Der Umstand, ohne ersichtlichen Grund eine als umwerfend geltende Frau erobert zu haben, provozierte ja nicht nur Unverständnis und Neid, sondern bestätigte auch den romantischen Verdacht, daß manche unscheinbaren Männer einen namenlosen Reiz aufwiesen, etwa in der Art einer unsichtbaren und geruchlosen, jedoch wirksamen Duftwolke. Und eine solche »reizende« Wolke schien Dr. Paul zu verströmen. Indem diese eine attraktive Frau sich in ihn verliebt, ihn zumindest geheiratet hatte, war Dr. Paul auch für große Teile der ihn umgebenden Damenwelt so etwas wie ein unbedingter Anziehungspunkt geworden.
    Er selbst stand diesem Phänomen mit kontrollierter Fassungslosigkeit gegenüber. Man spürte seine kleine Unsicherheit in einer jeden seiner Bewegungen. Es war, als würde dieser Mensch über den eigenen Zweifel balancieren. Wankend, aber nicht ohne Geschick. Und darin besteht ja ein Drahtseilakt: gekonnt unsicher zu sein.
    Wenn Dr. Paul nun davon sprach, daß man eventuell ein paar Zähne auf dem Grund des Pools finden würde, so hatte das seinen guten Grund. Menschenzähne freilich waren nicht gemeint. Obgleich es durchaus ein menschlicher Körper war, der auf der Oberfläche des Wassers trieb. Aber wenn etwas unbeschadet geblieben war, dann der Kopf des Toten und damit auch seine Zähne. Alles andere an ihm war verletzt worden oder gar verschwunden. Das rechte Bein fehlte von der Mitte des Oberschenkels an. Von einer Hand war nur noch ein Hautfetzen übriggeblieben. Die anderen Teile des Körpers waren mit Bißwunden übersät, was aussah, als sei dieser Leib mit einem großen Falleisen traktiert worden. Allerdings mußte auch dem Nichtzoologen klar sein, daß derartige Verletzungen allein von einem Fisch stammen konnten, genauer gesagt von einem Hai.
    So eindeutig dies war, so völlig unmöglich erschien dieser Umstand angesichts des Ortes. Man befand sich schließlich nicht in der Umgebung eines einschlägigen

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