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Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Titel: Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Borchmeyer
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die Auseinandersetzung mit Wagner – in ihrer ganzen Spannungsweite von glühender A ffi rmation bis zu fast hasserfüllter Negation – das Herzstück von Nietzsches Denken gewesen ist. Nur so ist erklärbar, dass die Temperatur seiner Wertung bis zuletzt zwischen glühender Hitze und eisiger Kälte schwankt. Die Kluft zwischen unanfechtbarem »Ideal« und allzu anfechtbarer Wirklichkeit war für Nietzsche das große Skandalon des »Falls Wagner«. Er hat sie nur in seltenen traumhaften Glücksmomenten seines Lebens und seiner ästhetischen Erfahrung zu überbrücken vermocht – oder in jener Vision der »Sternen-Freundschaft« ( Die fröhliche Wissenschaft , 279), welche die bewegendste Formel für seine Beziehung zu Wagner war und ist. Hier fi ndet noch einmal im Bilde der beiden ruhig in einem Hafen und einer Sonne beieinanderliegenden Schi ff e ein heimlicher Rückblick statt auf das verlorene ›Tribschener Idyll‹, auf das gemeinsam gefeierte »Fest« – man denkt an die Glückstage der Feier der Grundsteinlegung des Bayreuther Festspielhauses im Mai 1872 –; doch hier wird ebenso die Entfremdung beschrieben, die durch das über den beiden Antipoden waltende gegensätzliche Gesetz, ihre antithetische epochale Aufgabe erzwungen worden ist. Auch der Gedanke des im Tiefsten ersehnten Wiedersehens mit dem entfremdeten Freund klingt in Nietzsches Aphorismus an: ein Wiedersehen der sich in ihrer Fremdheit nicht mehr Erkennenden. Doch dann schwingt er sich auf zu jener kosmischen Perspektive, aus der – sub specie aeternitatis – alle Trennungen sich relativieren, jegliche Erdenfeindschaft zur Geringfügigkeit wird.
    So steht am Ende der erho ff te Glaube an die alle Di ff erenzen überwölbende Sternen-Freundschaft: »Wir waren Freunde und sind uns fremd geworden. […] Wir sind zwei Schi ff e, deren jedes sein Ziel und seine Bahn hat; wir können uns wohl kreuzen und ein Fest miteinander feiern, wie wir es gethan haben, – und dann lagen die braven Schi ff e so ruhig in Einem Hafen und in Einer Sonne, dass es scheinen mochte, sie seien schon am Ziele und hätten Ein Ziel gehabt. Aber dann trieb uns die allmächtige Gewalt unserer Aufgabe wieder auseinander, in verschiedene Meere und Sonnenstriche und vielleicht sehen wir uns nie wieder, – vielleicht auch sehen wir uns wohl, aber erkennen uns nicht wieder: die verschiedenen Meere und Sonnen haben uns verändert! Dass wir uns fremd werden müssen, ist das Gesetz über uns: ebendadurch sollen wir uns auch ehrwürdiger werden! […] Es giebt wahrscheinlich eine ungeheure unsichtbare Kurve und Sternenbahn, in der unsere so verschiedenen Strassen und Ziele als kleine Wegstrecken einbegri ff en sein mögen, – erheben wir uns zu diesem Gedanken! Aber unser Leben ist zu kurz und unsere Sehkraft zu gering, als daß wir mehr als Freunde im Sinne jener erhabenen Möglichkeit sein könnten. – Und so wollen wir an unsere Sternen-Freundschaft glauben , selbst wenn wir einander Erden-Feinde sein müssten.« (SW III, 523 f.)

»Regeneration des Menschen-Geschlechtes« – Parsifal und Die Sieger
    Anfang 1877 schreibt Wagner in »Wahnfried« den zweiten Prosaentwurf und das Textbuch seines schließlich Parsifal (ursprünglich hingegen wie Wolframs von Eschenbach Epos Parzival ) genannten letzten musikalischen Dramas (WWV 111) nieder, das am 19. April abgeschlossen wird. Bereits in der Pariser Zeit (1842) kam Wagner mit der Gralsthematik in Berührung. Während seines Marienbader Kuraufenthalts im Sommer 1845 las er Wolframs Parzival und Titurel. Die eigentliche Initialzündung zur Konzeption seines letzten Bühnenwerks aber bildet vorgeblich, der Inspirationslegende in Mein Leben zufolge, das idyllische Erlebnis des Frühlingserwachens am Karfreitag des Jahres 1857 im Züricher »Asyl« (ML 561).
    Nach mehreren Anläufen, des Sto ff s dramaturgisch Herr zu werden, schreibt Wagner Ende August 1865 den ersten Prosaentwurf nieder, dem erst zwölf Jahre später der zweite und in unmittelbarem Anschluss das Textbuch folgen sollen. Wieder tritt jedoch nach der Urschrift der Dichtung eine Unterbrechung ein. Um des Abbaus des Festspielde fi zits willen reist Wagner im Mai mit Hans Richter nach London, wo er in der Albert Hall acht Konzerte mit Ausschnitten aus seinen Opern gibt und wieder von Queen Victoria in Windsor empfangen wird. Als Gewinn des Londoner Gastspiels bleiben nur 700 Pfund, mit denen lediglich ein kleiner Teil des De fi zits abgetragen werden kann.
    Erst im

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