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Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Titel: Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Borchmeyer
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Bewunderung für ihn wächst immer«, hat er, dem Nachtrag Daniela Bülows zu Cosimas Tagebüchern zufolge, noch unmittelbar vor seinem Tod gesagt (CT II, 1113).
    Im Mai 1880 entdeckt er bei einem Aus fl ug über Amal fi nach Ravello den Garten des halbverfallenen Palazzo Rufolo, dessen Rosenpracht ihm zum Urbild von Klingsors Zaubergarten wird (»Klingsor’s Zaubergarten ist gefunden!«, schreibt er ins Gästebuch des Schlosses). Von August bis Oktober bezieht er die Villa Torre Fiorentina zu Siena, dessen Dom mit seinen gewaltigen Raumwirkungen zum Vorbild für den Gralstempel wird: Italien o ff enbart sich als der heimliche Schauplatz des Parsifal. Nach seinem Oktoberaufenthalt in Venedig kehrt Wagner nach Deutschland zurück. Die separate Aufführung des Parsifal -Vorspiels für Ludwig II. in München (am 12. November 1880) soll die letzte Begegnung mit dem König sein. Auf sie fällt der Schatten einer erneuten leichten Verstimmung, da Wagner es nicht ertragen kann, nach dem – zweimal gespielten – Vorspiel zum Parsifal , seinem musikalischen Testament, auch noch das vom König zum Vergleich verlangte Lohengrin- Vorspiel zu dirigieren, und dies Hermann Levi überlässt. Einmal mehr o ff enbart sich die abgrundtiefe Fremdheit zwischen Künstler und König. Im Dezember kündigt Wagner die zweiten Bayreuther Festspiele mit der Uraufführung des Parsifal für 1882 an. In die Zeit der Arbeit an dessen Partitur im Jahre 1881 fallen Besuche der Ring- Aufführungen von Angelo Neumann im Berliner Viktoria-Theater (einer davon mit Graf Gobineau, den Wagner 1876 in Rom kennengelernt, auch in Venedig wiedergetro ff en und wiederholt für Wochen zu Gesprächen nach Bayreuth eingeladen hat).
    Nach dem Abschluss des zweiten Parsifal - Akts im Oktober 1881 reist Wagner wieder, um dem feucht-kalten Bayreuther Winterklima zu entgehen, nach Italien (Palermo). Im Januar 1882 sucht ihn der junge Auguste Renoir auf, der eines der eigentümlichsten Porträts von Wagner malt. Das Werk dieses Künstlers, »der Schule der Impressionisten angehörend, die alles hell und inmitten der Sonne malen«, wie Cosima im Tagebuch vom 15. Januar berichtet, wird von Wagner mit humoristischer Verwunderung aufgenommen und mit einem grotesken Bild kommentiert: »Von dem sehr wunderlichen, blau-rosigen Ergebnis meint R., es sähe aus wie der Embryo eines Engels, als Auster von einem Epikuräer verschluckt.« (CT II, 873) Renoir hat ebenfalls den Verlauf der ›Sitzung‹ erzählt und amüsiert Wagners sächsisches Französisch parodiert.
    Am 13. Januar 1882 schließt Wagner die Partitur des Parsifal ab. Auch über dessen Abschluss leuchtet also noch einmal die Sonne Süditaliens. Im April kehrt er über Messina, Neapel und Venedig nach Bayreuth zurück. Anfang Juli beginnen die Parsifal- Proben, am 26. Juli 1882 fi ndet die Uraufführung unter der Leitung von Hermann Levi statt. Die Bühnenbilder werden wieder – nach den Entwürfen Joukowskys – vom Atelier Brückner ausgeführt. Wie 1876 sind die Spitzen der Gesellschaft und Künstler aus aller Welt zugegen, so Saint-Saëns, Liszt, Bruckner – und nun auch der junge Gustav Mahler. Ludwig II. indessen fehlt. Bei der letzten der sechzehn Vorstellungen am 29. August nimmt Wagner, im verdeckten Orchestergraben unbemerkt vom Publikum, Levi inmitten der Verwandlungsmusik des dritten Akts den Taktstock aus der Hand und dirigiert das Werk bis zum Ende. Es ist das einzige Mal, dass Wagner im Festspielhaus am Dirigentenpult gestanden hat.
    Anders als die ersten fi nden die zweiten Festspiele von 1882 breite Anerkennung in Ö ff entlichkeit und Presse. Und selbst der Erzfeind Eduard Hanslick kann Wagner – der »Energie eines starken, niemals zweifelnden Willens«, der Tatsache, dass in Bayreuth »unter der Gewalt einer mächtigen Persönlichkeit von eigenster, unerschütterlich fester Überzeugung« etwas unzweifelhaft Außerordentliches ins Leben getreten sei – »Achtung und Bewunderung« nicht versagen. Im Unterschied zum Ring von 1876 sieht Wagner 1882 seine ästhetischen Erwartungen weithin erfüllt, und das künstlerische Ereignis wird auch nicht mehr von einem fi nanziellen Misserfolg überschattet. Wagner kann sein Lebensziel erreicht sehen, doch die Lebensuhr des gesundheitlich entkräfteten, von beängstigenden Herzanfällen geplagten Wagner ist zugleich abgelaufen. Knapp ein halbes Jahr nach dem Triumph des »Bühnenweihfestspiels« wird er von der Lebensbühne abberufen.
    Als sein

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