Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit
gewissermaßen nobilitiert hat.
Der historische Rienzo wirkte seit 1343 als ›Notar der päpstlichen Kammer‹ in Rom und nutzte dieses Amt, um die Bevölkerung systematisch gegen die Adelshäuser aufzuwiegeln. 1347 holte er zum Staatsstreich aus. Mit Billigung des päpstlichen Legaten besetzte er das Kapitol und berief die Bürger zu einer parlamentarischen Versammlung ein. Das ist der geschichtliche Hintergrund der letzten Szene des ersten Akts von Wagners Oper, die durch den berühmten »langgehaltenen« Ton der Trompete (GS I, 46) eingeleitet wird. Im folgenden hat Wagner die Ereignisse mehrerer Monate zusammengezogen, darunter auch Rienzos Ablehnung des Königstitels, die sein Nachbild in der Oper damit begründet, dass er sich nur als Schützer »der Rechte, die dem Volk erkannt« verstehe und deshalb »Volkstribun« genannt werden wolle (GS I, 48). Nichts als Diener des Gesetzes will er sein, dem jeder Bürger »untertan« sein soll (GS I, 47); das erste Gesetz aber ist die Freiheit aller Römer. Deshalb verwirft er (anders als der historische Rienzo) jeden Kult seiner Person: »Des Friedens, des Gesetzes Größe nur, / nicht meine sollt ihr anerkennen!« (GS I, 51)
Cola di Rienzo ist in seiner ersten, nur sieben Monate umfassenden Regierungszeit gelungen, woran Kaiser und Papst seit Generationen gescheitert waren: die Befriedung Roms. Doch schon nach wenigen Monaten sollte sein Glücksstern sinken, da er seine weitgespannten politischen Ziele allzu überstürzt zu erreichen strebte. Papst Clemens VI. sah seine Herrschaftsansprüche durch das imperatorische Auftreten Rienzos bedroht. Zudem brandmarkte er die Wiedereinführung antiker Triumphalgesten und -riten durch Rienzo, die aufwendige symbolisch-repräsentative Demonstration seiner Machtstellung als Rückfall ins Heidentum. Obwohl Wagner diese historisch verbürgten Züge eher herunterspielt, um Rienzi als bloßen, jeden Kultus seiner Person abwehrenden Diener des Gesetzes und selbstlosen Verfechter der römischen ›Idee‹ darzustellen, hat er doch eine gewisse Vorliebe des Tribunen für imperatorischen Pomp nicht ganz aus dessen Persönlichkeitsbild gestrichen. Zu Beginn des zweiten Aufzugs erscheint Rienzi »als Tribun, in phantastische und pomphafte Gewänder gekleidet« (GS I, 49), am Schluss des dritten Aufzugs besteigt er »einen Triumphwagen und wird vom Volke dahingeführt« (I, 75) u. ä.
Folgenschwere politische Missgri ff e gefährdeten die Stellung Rienzos zunehmend. Durch Willkürakte empört, sammeln die römischen Barone, allen voran die Colonna, ein Heer und liefern Rienzos ›Miliz des heiligen Geistes‹, nicht zuletzt ermutigt durch die Abwendung des Papstes von seinem bisherigen römischen Sachwalter, am 20. November 1347 die Schlacht an der Porta San Lorenzo – sie bildet den Inhalt des dritten Akts von Wagners Oper –, die Rienzo jedoch triumphal gewinnt. Der glänzende Sieg kann allerdings seinen Fall nicht aufhalten. Am 15. Dezember 1347, nicht einmal einen Monat nach seinem Sieg über die Colonna, legt er das Tribunat nieder und fl üchtet aus Rom.
Vor den päpstlichen Häschern verbarg sich der Gebannte nun einige Jahre als Eremit in den Abruzzen und lebte ganz in der Spiritualenho ff nung auf den Anbruch eines neuen Zeitalters des Heiligen Geistes im Sinne Joachim von Fiores. 1352 wurde Rienzo an Papst Clemens VI. in Avignon ausgeliefert. Dieser hatte es mit dem Prozess gegen den entthronten Befreier Roms jedoch nicht eilig. Sein Nachfolger Innozenz VI. rehabilitierte den ehemaligen Tribunen schließlich in vollem Umfang, bestätigte ihn gar in seiner Würde als ›Ritter des Heiligen Geistes‹ und schickte ihn als päpstlichen Senator erneut nach Rom. Unter dem beispiellosen Jubel der Bevölkerung zog Cola di Rienzo am 1. August 1354, genau sieben Jahre, nachdem er die Souveränität des römischen Volks proklamiert hatte, als päpstlicher Senator in Rom ein. Dem triumphalen Wiederaufstieg folgte jedoch schon bald der Sturz. Durch rechtliche Willkürakte und drückende Steuern verscherzte sich der einstige Liebling des Volkes seine Popularität. Den noch immer auf Rache für die blutige Niederlage an der Porta San Lorenzo sinnenden Colonna gelang es, am 3. Oktober 1354 einen Volksaufstand gegen Rienzo zu schüren. Auf der Flucht aus dem brennenden Kapitol wurde er an seinen goldenen Armbändern erkannt und auf grauenvolle Weise ermordet.
Abb. 9 : Rienzis Siegeseinzug in Rom, gezeichnet von Theodor Pixis, um
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