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Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Titel: Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Borchmeyer
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der Verlauf der Handlung zeigen wird, Adriano sich nicht wirklich zu jenem überpersönlichen Standpunkt des ›Römers‹ erheben kann, mehr und mehr in die ständisch-familiären und subjektiv-a ff ektiven Befangenheiten seiner feudalen Herkunft verstrickt wird: »Bei diesem [Adriano] fängt es mit der Begeisterung an, die ihm Rienzi, auf Grund der Liebe des Jünglings zu Irene einzuhauchen weiss. Statt sich aber in dieser Begeisterung zu halten, die endlich in Rienzi von allen natürlichen und persönlichen Beziehungen absieht, sinkt Adriano dahin zurück, von wo Rienzi ausging, um sich zu seiner Grösse zu erheben. Das ›Blut‹ kommt zwischen Beide, und Adriano kann über das Gefühl der ›Vendetta‹ nicht hinaus; er bleibt in den blossen Familienbanden hängen – während Rienzi nur noch den ganzen Staat im Auge hat –, geht als leidenschaftlicher Rachedurstiger, kaum noch durch seine Liebe gebändigt, ohnmächtig und wahnsinnig zu Grunde, während Rienzi sich mit dem Kapitol, die Schlachthymne anstimmend, vom undankbaren, verführten Volke zertrümmern lässt. –« Brand und Zusammenbruch des Kapitols entsprechen äußerlich dem unter Aufbietung aller Bühnenmittel inszenierten typischen Katastrophenschluss der Großen Oper, aber ihr Sinn weist weit weniger auf die Grand Opéra zurück als auf den (von den Protagonisten selbst vollzogenen) ›Katastrophenschluss‹ der Götterdämmerung voraus. Er ist das tragische Ende derjenigen, die doch – wie Siegfried und Brünnhilde – im idealen Sinne triumphieren und das ›Prinzip Ho ff nung‹ verkörpern. Der pessimistische Schluss der ursprünglichen Fassung des Rienzi mag dieses Prinzip verdunkeln, die Fassung von 1847 mit dem Rekurs auf den Mythos vom Ewigen Rom bringt es jedoch deutlich zum Vorschein. Im Unterschied zum Revolutionspessimismus der Oper Meyerbeers richtet sich Wagners Pessimismus nicht gegen die revolutionäre Idee als solche, sondern gegen das Volk, das dieser Idee noch nicht gewachsen ist.
    Deutlich hat Wagner in seinem Brief an Albert Niemann diese tragische Di ff erenz zwischen Rienzi und ›seinem‹ Volk beschrieben. Er verdeutlicht, wie sehr Rienzi sich durch die Entpersönlichung seines Wesens dem Volk entfremdet und schließlich als die von der Welt unverstandene »Idee« zum Monument erstarrt. »Rom, Vaterland u. Freiheit ist eben nur in ihm allein. Das Volk selbst weiss nichts davon; es steht halb unbewusst auf der Seite Adriano’s, denn es sieht ebenfalls nur die in dem Kampfe gefallenen Brüder und Söhne, für deren Tod es jetzt Rienzi verantwortlich macht. […] Da sieht er denn, dass nur seine Idee, nicht aber das Volk eine Wahrheit war. Er bleibt gross und hoch, doch starr wie eine Bildsäule stehen, den Blick in erhabenem Entrücktsein vor sich hinheftend, wie die zum Monument erstarrte, von der Welt unbegri ff ene Idee. […] Letzter schmerzlich begeisterter Genuss der Idee in der Scene mit Irene […], die einer Liebe entsagte, und so, gleich dem Bruder, die Idee über die Leidenschaft siegen machte.« (SB X, 261–265) – Rienzi ist die Tragödie des politischen Idealisten – des Revolutionärs ohne Volk.

Von der Geschichte zur Sage – Der fl iegende Holländer
    Mit dem Liebesverbot hatte Wagner eine Abkehr von der deutsch-romantischen Oper vollzogen, in deren Spuren sich der Plan der Hochzeit und seine erste vollendete Oper Die Feen bewegten. Die Projekte vom Liebesverbot über die Hohe Braut bis zu Rienzi zeugten von Wagners Bevorzugung des italienischen und französischen Operntypus. Mit Der fl iegende Holländer (WWV 63), der die von ihm später kanonisierte – und bis heute allein ›bayreuthwürdige‹ – Werkfolge von zehn Musikdramen einleitet, kehrt er nun, wie seine eigene Gattungsbezeichnung zeigt, zur »romantischen Oper« zurück und vertauscht die Geschichte gegen die Sage. Wiederum entsagt er in seiner vollständig in Paris (1841) entstandenen dritten Oper – in Opposition gegen den luxuriösen Aufwand der Grand Opéra – wie einst bei der Hochzeit »allem Opernschmucke« (ML 81), mit dem er in Feen und Rienzi durchaus geprunkt hatte.
    Als Wagner im April 1842 aus Paris nach Deutschland zurückkehrte, konnte er damit rechnen, dass die Uraufführung des Fliegenden Holländers – wiederum nicht zuletzt auf die Fürsprache Meyerbeers hin – an der Berliner Hofoper statt fi nden würde. Doch die Aufführung verzögerte sich so sehr, dass Wagner seine Partitur – die ein Jahr lang in Berlin

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