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Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Titel: Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Borchmeyer
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Notjahren 1839–42 zum zweiten Mal sein Glück zu versuchen. Es dauert nicht länger als eine Woche, bis Wagner erkennen muss, dass sich die Pariser Kunstszene in den 1840er Jahren nicht wesentlich gewandelt hat; überdies vertreibt ihn die in der Stadt ausgebrochene Cholera. Am 6. Juli tri ff t er – von Liszt mit Finanzmitteln für die Rückreise ausgestattet – wieder in Zürich ein. Neun Jahre wird er nun mit kurzzeitigen Unterbrechungen in der Schweiz bleiben. Mit Minna zieht der Unbehauste in den folgenden Jahren von Wohnung zu Wohnung.
    Als seine Frau ihm im September 1849 unter schweren Bedenken nach Zürich folgt, spürt Wagner, wie sehr ihm die durch die Eindrücke der jüngsten Zeit bedeutend Gealterte inzwischen entfremdet ist. Minna hat sich mit dem Verlust ihres Status als Gattin des Hofkapellmeisters nie ab fi nden können. Wagner, der im Februar 1850 zum dritten Mal – und ebenso erfolglos wie früher – nach Paris aufgebrochen ist, schreibt von dort am 16. April einen ausufernden Brief an Minna, in dem er die Trennung vorschlägt und der die »schlimmste und unheilbarste Seelenverstimmung« zwischen ihnen (SB III, 276), ja den »ungeheuren Irrthum zwischen uns beiden« (SB III, 280) schonungslos benennt. Der Revolutionär argumentiert da gegen die am Status quo hängende Hausfrau – Wotan gegen Fricka: »Ich bin Dir durchaus fremd. Du siehst nur Ecken und Auswüchse an mir. Du siehst nur das, was, was Dir unerklärlich an mir ist, und fi ndest nirgends Ersatz dafür, was Dir Leides durch mich geschieht. Du hängst an Ruhe und Dauerhaftigkeit der Verhältnisse – ich muß sie brechen, um meinem inneren Wesen zu genügen: Du vermagst alles zu opfern, um eine ›geachtete Stellung‹ in der bürgerlichen Welt zu haben, die ich verachte und mit der ich nichts zu tun haben will; Du hängst mit ganzem Herzen am Besitz, an Haus, Hof, Geräth und Heimath – ich verlasse das Alles, um ein Mensch sein können. Du denkst nur mit Wehmuth und Sehnsucht an die Vergangenheit zurück, – ich gebe sie auf und denke nur an die Zukunft. All Deine Wünsche gehen auf Versöhnung mit dem Alten, auf Nachgeben und Sichschmiegen, auf Wiederanknüpfen, – ich habe mit dem Alten gebrochen, und bekämpfe es mit allen meinen Kräften. […] So ist zwischen uns nur Widerspruch, unversöhnbarer Widerspruch.« (SB III, 282 f.)
    Der Brief fällt in eine Zeit, da Wagner sich schon in eine abenteuerliche Liebesa ff äre verstrickt hat. 1848 hatte er in Dresden die damals neunzehnjährige, musikalisch hochsensible Jessie Laussot, Tochter des englischen Juristen Taylor, in Begleitung ihrer Mutter kennengelernt, die mit Wagners Gönnerin Julie Ritter befreundet war. Jessie war durch ihre Mutter zu einer Ehe mit dem Weinhändler Eugène Laussot aus Bordeaux (der eigentlich dieser selber zugetan war) bewegt worden. Gemeinsam mit Julie Ritter plante die Familie Taylor-Laussot, Wagner in seinem Exil fi nanziell zu unterstützen. Im März 1850 reist er auf Einladung der Familie nach Bordeaux. Dort verliebt er sich heillos in die sich unglücklich verheiratet fühlende Jessie, und beide entwickeln einen romantischen Fluchtplan, der sie nach Griechenland und Kleinasien führen soll. Der Plan fl iegt auf, der rasend eifersüchtige Ehemann droht, den Nebenbuhler zu erschießen, doch lässt er ihn lediglich durch die Polizei aus der Stadt ausweisen. Jessie ringt sich, nachdem sie und ihre Mutter sich mit Minna verständigt haben, zu einem Verzicht auf ihren amour fou für Wagner durch. Aufgrund der ganzen A ff äre war es mit der Unterstützung Wagners durch die Familie Taylor-Laussot natürlich vorbei. Julie Ritter hingegen (die ihren Sohn Karl in Wagners musikalische Obhut gab) zahlte ihm von 1851 bis 1859 eine jährliche Rente von 800 Talern. Im Juli 1850 kehrte Wagner nach Zürich zurück und arrangierte sich erneut mit seiner Frau Minna.
    Zürich ist zu dieser Zeit ein Sammelplatz politischer Flüchtlinge. Die liberale Gesetzgebung der Schweiz erlaubte Verfolgten aller Couleur, hier ihre Bleibe zu fi nden und ihre nicht selten radikalen Ansichten zu publizieren. Bald bildete sich um Wagner ein Kreis politischer Freunde. Zu ihm gehörten der sozialistische Lyriker Georg Herwegh, der nach dem Scheitern des badischen Aufstandes in die Schweiz fl üchtete und durch den Wagner vermutlich mit den Ideen von Karl Marx bekannt gemacht wurde – mit ihm und Franz Liszt wird er am 7. Juli 1853 auf dem Rütli, dem Ort der Gründung der

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