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Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Titel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steinhöfel
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Aber ich bin zum Schlafen viel zu aufgeregt. Diesmal schreibe ich Tagebuch unter der Bettdecke, denn Svens Eltern sind noch wach. Wenn sie den Lichtschein der Taschenlampe sehen, der durch die Ritzen der Schuppenwand nach draußen sickert, sind wir aufgeschmissen. Ich kriege den Wind ab, der durch dieselben Ritzen reinpustet. Sogar unter der Decke spüre ich ihn. Ich friere ein bisschen. Ich glaube, über der Ostsee braut sich ein Sturm zusammen.
    Neben mir liegt Fitzkes abgegriffenes grünes Journal. Fast war mir das Herz stehengeblieben, als Oskar mir heute Nachmittag zeigte, was er darin entdeckt hatte. Und es blieb kurz tatsächlich stehen, als ich begriff, was diese Entdeckung für uns bedeutete: dass wir bisher mit Julia zwar die Richtige verfolgt hatten – aber aus einem ganz falschen Grund.
    Mann, Mann, Mann!
    Jedenfalls haben wir nicht nur wegen dem Kalbstein die Rückfahrt nach Berlin sausenlassen. Wir stehen vor einer völlig neuen Entwicklung der Ereignisse, mein lieber Watson! Das Schicksal zwingt uns, auf diese geänderten Umstände angemessen zu reagieren! Oskar versuchte eine Stunde lang, von einer Telefonzelle aus Lars anzurufen. Er wollte nicht mehr lügen, sondern ihm alles erklären, aber jedes Mal kam nur: Sprechen Sie nach dem Piep! Weshalb Oskar zuletzt dem Anrufbeantworter sagte, Lars soll sich keine Sorgen machen, denn morgen Abend oder spätestens Mitternacht sind wir zurück, mit freundlichen Grüßen. Dass wir gerade in anderen Umständen waren, erwähnte Oskar genauso wenig wie unser gefährliches Vorhaben. Es ist so gefährlich, dass ich ihn nach dem erfolglosen Telefonieren überzeugen konnte, genau wie ich frische Unterwäsche anzuziehen. Falls uns was zustößt, müssen wir uns in der Leichenhalle wenigstens nicht schämen.
    Während er am Strand auf meine Rückkehr aus dem Dschungel wartete und – vergeblich, wie sich herausstellte – darauf, dass vielleicht Julia und Justin auftauchten, hatte Oskar aus Langweile in Fitzkes Journal zu blättern begonnen. Auch wenn er selber nicht ans Steinzüchten glaubte, fand er die Eintragungen doch sehr spannend. Fitzke hatte nicht nur alle seine Züchtungsversuche notiert, seine Hoffnungen, Erwartungen und Enttäuschungen, sondern er hatte zu allen Steinen auch von Hand kleine und große Zeichnungen angefertigt, mit Tusche und Buntstift. Daneben der Name des jeweiligen Steins, Fundort und Datum und dergleichen. Sehr hübsch. Bis bei einem von diesen Bildern ein Wort stand, das Oskar eine Gänsehaut machte, und das, obwohl er doch eigentlich mehr der rationale Typ ist.
    Ein Rubin ist ein sehr wertvoller Edelstein. Meistens steckt er in anderem Steinzeugs drin, wie von einem Mantel umgeben. Wenn man ihn da rausklopft, sieht er ganz unscheinbar aus mit seinen rauen Kanten und seinem fehlenden Glanz. Bestenfalls schimmert er leicht rötlich, wenn Licht auf ihn fällt. Aber sobald er geschliffen ist … dann strahlt der Rubin wie ein loderndes rotes Feuer. Er strahlt so heftig, sagte Oskar, dass die Leute früher glaubten, er leuchte sogar im Dunkeln. Man nannte ihn den Stein der Steine.
    Fitzke hatte seinen Rubin vor vierzig Jahren in Indien gefunden. Am Wert seines Funds war er kein bisschen interessiert, sondern nur daran, ob so ein Rubin, oder überhaupt irgendein Edelstein, vielleicht auch einen guten Zuchtstein abgab. Er wurde bitter enttäuscht.
    Dreck!, notierte er fast zwanzig Jahre später in seinem Journal. Meine Experimente mit Quarz sind somit bestätigt: Steine mit hohen Anteilen an kristallinen Strukturen scheinen für Züchtungsversuche nicht zu taugen. Werde weitere Versuche abwarten, bleibe aber sehr skeptisch.
    SKEPSIS
: Wenn man geneigt ist, etwas zu glauben, aber die Neigung noch nicht ganz zum Umfallen reicht. Oder man neigt dazu, es lieber nicht zu glauben, kann sich dann aber kaum auf den Beinen halten. Es ist also ein wackeliger Zustand großer Unsicherheit, den man nur durch sorgfältige Erforschung abstellen kann. Vorher sollte man aber auf jeden Fall ein weiches Kissen auf den Boden legen.
    Von Fitzkes weiteren Versuchen war nirgends im Journal mehr die Rede, also waren sie wohl in die Hose gegangen. Aber den Rubin hatte er behalten. Wir konnten nur vermuten, dass er ihn Julia irgendwann gezeigt hatte, vielleicht, als sie noch ganz klein war und noch nicht so ein schwieriges Kind. Gut möglich, dass sie

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