Riemenschneider
Händen. »Aber, lieber Freund, so vergesslich? Darf ich dich ans Kapitelhaus erinnern. Die Regeln sind doch ganz einfach. Geben und nehmen. Eine Hand wäscht die andere.«
Til schloss die Augen. Du musst einfach, sagte er sich, was du möchtest, zählt nicht, erst wenn du ihnen diesen verdammten Tisch lieferst, ist die Angelegenheit wirklich beseitigt. Er wuchtete sich vom Stuhl hoch. »Ich nehme den Auftrag an.«
Ohne nach rechts und links zu blicken, schritt er durch den Saal zum Stein hinüber. Georg Suppan empfing ihn mit breitem Lächeln und flüsterte aus dem Mundwinkel: »Um ein Haar hättest du mich enttäuscht. Dabei ist Politik doch so einfach.« Dann lud er den Meister mit lauter Stimme ein, sich die Platte genau anzusehen.
Til legte die Handflächen auf den Stein. Als ihm nach einer Weile die Kühle ein Prickeln in den Fingerkuppen verursachte, wachten die dunklen Augen auf, und sein Ärger war verflogen. In weiten Bögen strich er über die raue Fläche. »Scheint wirklich gesund zu sein. Aber noch eine Prüfung zur Sicherheit.«
Er sah sich um, entdeckte auf dem Kaminsims einen Mörser und bat Georg Suppan, ihm den Stößel zu bringen. Mit einem Ohr beugte er sich tief über den Stein, leicht schlug er die Platte in der Mitte an und horchte, wiederholte die Probe an den Rändern und war zufrieden. »Der Klang ist voll. Es gibt keine versteckten Risse. Selten habe ich einen Stein von solch auserlesener Qualität gesehen.«
»So gefällst du mir«, spornte ihn Georg verstohlen an. »Das wollen die Kollegen hören.«
Til verstand die Heimlichkeit des Freundes nicht. »Ich meine, was ich sage.«
»Gut, gut.« Auch Suppan sprach jetzt laut. »Du bist der Bildschnitzer. Und wir freuen uns auf den neuen Ratstisch.«
Welche Verzierung? Vom Bürgermeister wurde Til der Wunsch unterbreitet, dass drei Wappen in die Platte eingearbeitet werden sollten: »Vereine unsern gnädigen Fürstbischof Lorenz von Bibra und unsere Stadt mit dem Bischof von Eichstätt. Hier …«, er zeigte dem Meister das Begleitschreiben, »hier siehst du das Wappen von Bischof Gabriel Eyb.«
Schon ganz mit dem Auftrag beschäftigt, hatte Til das Kreidestück aus der Rocktasche gezogen, ein Kreis in der Mitte, leichte Striche setzten die drei Schilde wie ein Kleeblatt zueinander. »So dachte ich es mir. Ganz gleich, wie die bewegliche Platte gedreht wird, stets soll jedes Wappenbild nach oben zeigen …« Er hielt inne und runzelte die Stirn. »Ich bitte um Verzeihung. Ich will nicht undankbar erscheinen, aber ich habe eine Werkstatt zu unterhalten, habe Frau und Kinder zu ernähren.« Erst nach heftigem Räuspern sprach er weiter. »Verehrte Herren, Ihr erwartet doch nicht etwa, dass ich diese Arbeit ohne Lohn …?« Til ließ den Satz unbeendet.
Bürgermeister Schmid kratzte das Kinn, sah zu seinem Stellvertreter; weil der gleich den Kopf senkte, um sich nicht äußern zu müssen, blickte er Hilfe suchend auf seinen Vorgänger.
So viele Jahre schon im Irrgarten der Politik zu Hause, musste Georg Suppan nicht lange nach einer Lösung suchen. »Lieber Meister, natürlich soll gute Arbeit auch entlohnt werden. Zwar darf ich dem Ratsbeschluss nicht vorgreifen, dennoch möchte ich der Versammlung einen Lohn zwischen fünf und zehn Gulden empfehlen.«
Sofort wurden Stimmen laut. Die Summe sei viel zu hoch und der Stadtsäckel leer, und kein Amt hätte Gelder übrig.
»Freunde, lasst mich ausreden!« Mit den Händen strich Suppan beide Bauchseiten. »Auch an die Finanzierung habe ich gedacht. Ein Ratstisch soll gebaut werden. So lautet unser Auftrag. Wenn also etwas für die Stadt gebaut wird, so fällt das in die Verantwortung des Baumeisters. Ergo wird er aus seinem Topf an sich selbst den Lohn bezahlen …«
Verblüfftes Gelächter, nach und nach begriffen die Kollegen und fanden Gefallen an diesem Guldenzauber. Der geschickte Fuchs hatte Lob verdient. Heftiges Pochen an der Saaltür aber brachte ihn um den großen Beifall.
Ohne aufgefordert zu werden, schlüpfte der Ratsdiener herein, geduckt eilte er zum Bürgermeister und flüsterte erregt, deutete auf Tilman Riemenschneider und flüsterte weiter. Das gerade aufblühende Vergnügen welkte rasch im Gesicht des Bürgermeisters, er suchte die Haltung zu bewahren: »Lieber Freund, ich höre soeben, dass du umgehend im Wolfmannsziechlein erwartet wirst. Ein Unglück …«
»In der Werkstatt?« Der heftige Atemzug richtete Til auf. »Ist etwas mit meiner Maria … für den Creglinger
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