Riemenschneider
Dunkel.« Um einer weiteren, eventuell sogar beschämenden Enthüllung seiner Spielleidenschaft vorzubeugen, bewies er mit großem Zungenschlag, nun kein Saulus mehr zu sein: »Nach dieser Erklärung bin ich von der Unschuld des Baumeisters überzeugt. Ja, das Kapitel darf sich nicht einmischen, wenn der Rat für den nötigen Holzvorrat Sorge trägt und ihn nach seinem Gutdünken verwendet.« Seine Armbewegung lud die Kollegen ein. »Wir sollten nicht erneut aufbauschen, was sich als rechtens erwiesen hat. Seid Ihr meiner Meinung?«
Keine Stimme wandte sich dagegen. Die Anhörung war beendet.
Erst als Til mit den Herren des Stadtrates das Kapitelhaus verlassen hatte, wurde ihm deutlich, was dort gerade geschehen war. Mein guter Ruf, mein Ansehen in der Stadt allein hätten nichts bewirkt. Auch genügte die schlichte Wahrheit nicht, sie musste verbogen, gedreht und passend zurechtgehämmert werden, nur damit konnten die Herren vom Domkapitel überzeugt werden. Fest legte er dem schmächtigen Stadtschreiber den Arm um die Schultern. »Danke. Ohne dich hätten mich diese Schwarzröcke in Stücke gerissen. Und wie du dem scheinheiligen Würfelspieler übers Maul gefahren bist. Wunderbar!«
»War doch selbstverständlich.« Sichtlich über das Lob erfreut, wiegelte Martin Cronthal ab: »Eine Verhandlung zu führen gehört eben zu meinen Aufgaben.«
»Nicht ohne uns«, verbesserte der Bürgermeister und hob den Finger: »Vergiss nicht, Meister, ohne unsere Hilfe, ohne die Hilfe des gesamten Stadtrates wäre die Angelegenheit nicht so rasch aus der Welt geschafft worden.«
Til wölbte die Unterlippe nach vorn. In die Erleichterung mischte sich ein schaler Geschmack. Muss er so darauf pochen, dachte er, sagte aber verbindlich: »Mein Dank gilt natürlich allen. Vielleicht sollte ich den Stubenmeister vom Grünen Baum bitten, uns ein Fässchen Wein hinaufzubringen …«
»So war das nicht gemeint«, wehrte Bürgermeister Schmid sonderbar vergnügt ab und stieß seinem Stellvertreter in die Seite. »Nicht wahr?« Auch den begleitenden Stadtrat bezog er mit ein. Nun schmunzelten alle drei trotz des Nieselregens vor sich hin.
Fragend blickte Til zum Stadtschreiber, doch auch Martin schien sich die unerwartete Heiterkeit nicht erklären zu können.
Ehe die Sitzung wieder begann, war jedes Ratsmitglied bereits vom Sieg über das Domkapitel informiert und hatte unten im Grünen Baum, nach den ohnehin schon zahlreichen, noch einen Extraschoppen darauf getrunken. Bürgermeister Schmid aber ließ es sich nicht nehmen, ausführlich darüber zu berichten, den Applaus nahm er dankend entgegen, und auf seine Geste hin durfte auch der Stadtschreiber daran teilhaben, dann griff er zur Glocke: »Meine Herren, nachdem wir unseren hochgeschätzten Freund Riemenschneider so erfolgreich vor Unbill bewahrt haben, wenden wir uns nun an den berühmten Bildschnitzer, um unsere Belohnung einzufordern.«
Er nickte bedeutungsvoll zu Georg Suppan hinüber, der erhob sich und ging zur Stirnwand des Saales. Dort waren während der Mittagspause drei Kisten gestapelt worden, und obendrauf lag eine von weißem Leinen bedeckte runde Platte.
Die Miene des ehemaligen Bürgermeisters zeigte, wie zufrieden er mit sich selbst war. »Als Dank für eine Sendung guten Frankenweins hat der Bischof von Eichstätt unserer Stadt vor einigen Tagen diesen wunderbaren Solnhofer Stein geschenkt. Damit der Transport unser Würzburg auch sicher erreichte, hat Bischof Gabriel sogar einen Ritter beauftragt, den Wagen mit seinen beiden Knappen zu begleiten.« Schwungvoll zog er das Leinentuch ab. »Ohne Zweifel ein teures Geschenk.«
Hälse reckten sich. Nach einer geschickt gedehnten Pause fuhr Suppan fort: »Ausgesucht wertvoll aber kann dieses Geschenk erst werden, wenn unser geschätzter Freund Riemenschneider sich der Platte annimmt.« Die Stimme hob sich. »Meister Til soll uns einen Tisch, einen Ratstisch bauen, das Untergestell aus Holz und als Platte diesen Stein, schön abgezogen und verziert …« Noch ehe er geendet hatte, pflichteten ihm schon mehr als die Hälfte der Anwesenden bei.
Es ist längst abgesprochen, dachte Til, ohne mich vorher zu fragen, hat Georg sich bereits eine Mehrheit verschafft. Empört schüttelte der Meister den Kopf. »Bedauere!«, rief er vernehmlich. »Meine Werkstatt stellt keine simplen Möbelstücke her.«
Stirnrunzeln; verwundert, da und dort auch empört, blickten ihn die Kollegen an. Bürgermeister Schmid näherte sich mit offenen
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