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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Scherz und wies auf die an der Treppe wartende Gruppe. »Komm jetzt! Wir stehen die Sache gemeinsam durch.«
Der bittere Unterton blieb. »Ist mein Vergehen so schwerwiegend? Hat der Angeklagte so viele Advokaten nötig?«
Statt einer Antwort schüttelte Martin Cronthal nur den Kopf, und schweigend schlossen sie sich dem Ratskollegen und den beiden Bürgermeistern an.
Kühle Mienen, kein Wort zur Begrüßung, ein knappes Handzeichen des Vorsitzenden lud die Abordnung der Stadt zum Sitzen ein. Vier Kuttenträger bildeten den Stoßtrupp des Domkapitels, zur Verstärkung hatten sie noch den Bevollmächtigten des Bischofs an ihrer Seite, der gleich zum Angriff überging: »Eine schwere Beschuldigung gegen den städtischen Baumeister ist unserem gnädigen Herrn und Fürsten vorgetragen worden. Große Mengen an Holz und Brettern …« Mit schneidender Stimme trug der Marschall Punkt für Punkt die Anschuldigungen vor. Ein Fingerwedeln deutete an, dass ihn nach neuer Munition verlangte, und eilfertig reichte ihm Domherr Paulus Schroter die Liste mit den durch die Freveltat entgangenen Zolleinnahmen. »Nach Schätzung der Prüfer …«
Diese Pfennigfuchser. Alles in Til weigerte sich hinzuhören, er entstieg der schmählichen Lage und verglich Gesicht und Gestalt des Bevollmächtigten mit seinem Philippus. Wirklich gut getroffen habe ich ihn. Bis auf die Augenpartie und den Mund. Dieser fette Kerl dort geifert und stiert, mein Apostel aber blickt nachdenklich, und ein milder Zug umgibt seine Lippen.
»Wir sind nun hier versammelt …« Heftig räusperte sich der Marschall und stach mit gestrecktem Finger nach dem Beschuldigten. »Wir sind nun hier versammelt, Klarheit in dieser leidigen Angelegenheit zu schaffen. Deshalb fordere ich den Baumeister auf, zu den angeführten Vorwürfen Stellung zu nehmen.«
Til rückte im Stuhl nach hinten. »Nichts von alldem …« Er faltete die Hände und öffnete sie wieder. Ehe er sich weiter verhaspelte, erhob sich Martin Cronthal und trat vor den Stoßtrupp hin. »Werte Herren, die Vorwürfe gegen den hochgeschätzten Baumeister und von uns allen hochverehrten Bildschnitzer Tilman Riemenschneider entbehren so sehr jeglicher Grundlage, dass ich beauftragt wurde, eine gemeinsame Stellungnahme des Rates wie auch des Baumeisters vorzutragen …«
Paulus Schroter hob die Hand. »Nein, ich verlange, dass der Beschuldigte sich selbst äußert!«
Mit schnellem Griff nahm der Stadtschreiber die Brille ab. Blitze trafen den Domherren. »Ihr seid stets ein willkommener Gast bei uns im Rathaus. Allerdings nur unten im Grünen Baum. Und niemand nimmt Anstoß, wenn Ihr Euch dem zügellosen Würfelspiel hingebt, noch kritisiert jemand die Auswahl Eurer Mitspieler.«
Paulus Schroter sank in sich zusammen. Bis auf den Marschall wussten alle Anwesenden im Raum von der Nacht auf dem Leichhof, wie er fluchend und auf dem Grabstein im eigenen Erbrochenen liegend von den Scharwächtern entdeckt worden war.
Scharf setzte der Stadtschreiber nach. »Jedoch erwarte ich, und darin bin ich mit beiden Bürgermeistern einig, dass Ihr Euch nicht in die Kompetenz des Rates einmischt. Und der hat eine schriftliche Erklärung vorbereitet. Kann ich beginnen?«
»Ja doch«, flüsterte Paulus Schroter. »Ja doch. Nichts anderes wollte ich.«
Die Brille thronte wieder auf dem Nasenrücken, und ohne laut zu werden, wusch Martin Cronthal jeden Verdacht von der Schulter seines Freundes: » … der Rat hat dem Baumeister befohlen, Holz und Bretter zu Nutz und Notdurft des Stadtbaues zu kaufen und einen großen Vorrat anzulegen, über den er nach Gutdünken verfügen sollte.« Nun versuchte er einen Scherz einzuflechten und setzte ein dürres Keckern voran. »Falls unser gnädiger Bischof Lorenz von Bibra oder einer der Herren des Domkapitels dringend gutes, trockenes Bauholz benötigt, so ist unser Baumeister sicher bereit, ihnen das Gewünschte für einen kleinen Preis abzugeben.« Nichts regte sich in den Mundwinkeln der Ankläger, und gleich wieder ernst schloss der Stadtschreiber: »Nie hat der Rat befohlen, Holz einzukaufen, um es dann wieder zu verkaufen. Und dies ist zu keiner Zeit, weder mit Wissen noch heimlich, geschehen. Deshalb bittet der Rat um Erlaubnis, die gute, bewährte Gepflogenheit beibehalten zu dürfen.«
Der Bevollmächtigte des Bischofs befragte mit dem Blick seine Mitstreiter. Ehe einer der Kleriker sich äußern konnte, wuchs Paulus Schroter wieder aus seinem Lehnstuhl. »Überzeugt. Licht erhellt das

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