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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Und einmal erzählte sie, wie sie unten im Keller am Brunnen steht, dass sie es krachen hört oben im Haus, und alle Mauern brechen über ihr zusammen. Vielleicht hat sie es wieder gehört, und all die schweren Steine sind auf ihre Schultern nieder, und dann ist sie gestürzt.«
Til schloss die Lider. »Danke. Das sollen nur wir beide wissen. Für die anderen war es ein schrecklicher Unfall.« Er verstärkte den Druck seiner Hand. »Du warst für mich immer schon mehr als eine Magd …«
Ich weiß es nur zu gut, dachte sie, ich bin deine Eva.
Doch er setzte hinzu: » … du bist für mich ein gute Freundin.«
Noch nie … Erschreckt versuchte Magdalena sich zu lösen, doch er schien es gar nicht zu bemerken und hielt sie fest. »Ich kann mir nicht vorstellen, ohne dich zu sein.«
Es ist der Kummer, er sagt das nur, weil der Kummer so groß ist. Oder?
Til öffnete wieder die Augen, ernst blickte er sie an. »Wirst du mir auch in Zukunft helfen?«
»Immer. Immer bin ich für Euch da.« War ich zu vermessen? O Herz, bleib doch still. »Ich meine, auch für die Kinder.«
»Du hast recht, daran müssen wir jetzt zuerst denken.« Er schenkte sich Wein nach. »Die drei Buben sollen nicht dabei sein, wenn ihre Mutter zu Grabe getragen wird. Ich möchte, dass sie langsam den Verlust zu begreifen lernen und dass du ihnen dabei hilfst. Wie wäre es, wenn du mit ihnen zu deiner Schwägerin ins obere Tal nach Mühlhausen fährst?«
»So lange war ich nicht mehr dort.« Magdalena sammelte sich. Sei ruhig, was später sein wird, zählt jetzt nicht. Zunächst braucht der Herr deine Unterstützung. »Els wird sich bestimmt freuen. Nur wird sie so viele Mäuler nicht stopfen können. Auch sollte ich Florian und Katharina mitnehmen.« Sie plante den Vorrat an Lebensmitteln, der beschafft werden musste, und Til war einverstanden. »Sobald alles besorgt ist, soll euch Rupert morgen mit dem Wagen hinaufbringen.«
Er blickte in die Herdglut. »War auch für dich ein langer Tag. Du kannst dich oben bei den Mägden schlafen legen. Ich möchte noch eine Weile hier sitzen.«
Magdalena schob ihre Hand auf dem Tisch neben die große Hand. »Stört es Euch, wenn ich bleibe?«
Verloren in seinen Gedanken, schüttelte er nur unmerklich den Kopf.

16

B is zur letzten Woche waren die Uferränder der Jagst noch gefroren, die Wiesen lagen leblos da, dann drehte der Wind, kam von Südwest, brachte Wärme und öffnete den grauen Himmel. Von einem Tag zum andern hatte der Frühling sich einzurichten begonnen, und das Geschnatter der Enten im Wassergraben der Burg wurde lauter.
Oben im Palas lag Götz, nackt und bäuchlings ausgestreckt über den mit Decken und Tüchern gepolsterten Tisch. Ein Arzt träufelte Mandelöl in die Kerbe des ritterlichen Hinterns und versuchte, die Backen behutsam auseinanderzuziehen.
»Verflucht! Du sollst mir den Arsch nicht aufreißen. Sonst reiß ich dir den Kopf ab. Dafür habe ich dich nicht aus Stuttgart kommen lassen.«
»Verzeiht, Herr. Aber ich muss mir zunächst einen ersten Einblick von der Größe und Lage der güldenen Ader verschaffen. Und dazu erweiche ich den Zugang.« Der Medicus wandte sich zum schmalen Arznei- und Bestecktisch und befettete einen Pinsel mit Butter. »Trotz größter Vorsicht wird dies nicht ganz ohne Schmerzen abgehen.«
»Sehr fein ausgedrückt«, knurrte Götz vor sich hin. »Möchte wissen, was dich von einem Quacksalber unterscheidet.« Sein Zorn blieb, wechselte nur das Opfer.
Ihm vor Kopf, drei Schritt entfernt, stand der Waffenknecht, den er letzten Sommer dem Kölner Kaufmann für den getöteten Diener mitgegeben hatte. Er sollte den Alten nach Leipzig und von dort aus samt den Pelzen nach Bamberg begleiten. Vor einer Stunde war der Waffenknecht zurückgekehrt und musste, ungeachtet der ärztlichen Behandlung, sofort seinem Herrn berichten.
Schon die erste Auskunft hatte die Zornader schwellen lassen, und nach der schmerzhaften Unterbrechung stützte sich Götz jetzt auf den linken Ellbogen und drohte mit dem rechten Armstumpf. »Kerl, du bist also allein hergekommen. Ohne den Vater meines Gefangenen? Ohne meinen Knappen? Aber vorher hast du mir eine Nachricht geschickt, dass alles wie erwartet gelaufen ist: Die Pelze verkauft. Der Alte wartet im Goldenen Schwan auf neue Anweisungen.«
»Ich musste aus Bamberg verschwinden, Herr. Glück hab ich gehabt. Sonst wär es mir auch so ergangen wie dem Thoma.«
»Was ist mit dem Jungen?«
Der Knecht wich einen Schritt zurück. »Verhaftet«,

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