Riemenschneider
Verhältnis mit Magdalena nicht durch vorschnelle Beschuldigungen getrübt werden.«
Frau Margarethe zerknautschte den Stoff ihres Nachthemdes unter dem Busen, im inneren Kampf verschränkte, löste und verschränkte sie die Finger, ihre Eifersucht aber war stärker: »Deine Rücksicht verwundert mich schon. Kein Hausherr würde seine Magd so schonungsvoll behandeln, es sei denn …« Der Atem ließ die rissigen Lippen erbeben. »Es sei denn, er sieht in ihr mehr als nur eine Magd.«
»Das entspricht der Wahrheit. Deshalb verlange ich, dass meine Anweisungen von dir befolgt werden.« Mit leicht unruhiger Hand reichte er ihr die Öllampe. »Und jetzt, Frau, geh zurück ins Bett! Ich komme später nach.«
Til wartete, bis sie die Treppe erreicht hatte, dann öffnete er die Haustür. Tief sog er die Nachtkühle in sich auf. Das Mondlicht trennte den Hof in Hell und Dunkel.
Er trat aus dem Schatten und hob den Blick. Weit über dem Dachfirst stand die silbrigklare Scheibe. »Mehr als nur eine Magd?« Erst nach geraumer Zeit flüsterte er die Antwort. »Für mich warst du nie eine Magd. Du weißt es. Und mir wurde es vorhin wieder sehr deutlich bewusst. Seit damals, seit ich dich am Bach getroffen habe, all die langen Jahre über bist du meine Eva.«
22
S o lautlos wie möglich lenkte Götz von Berlichingen sein Pferd auf die Baumgruppe am Fuß des Hügels zu. Hinter dem Stamm der breitesten Eiche hielt er an. Erst als sein Knappe Thoma und auch die übrigen zehn Reiter rechts und links von ihm Deckung gefunden hatten, neigte er sich im Sattel zur Seite und spähte die Anhöhe hinauf. Sirren in der Luft, gleich folgte scharfes Splittern; neben seinem geöffneten Visier hatte der Armbrustbolzen eine tiefe Furche in die Baumrinde gerissen. »Verflucht!« Trotz seines Brustpanzers richtete er rasch den Oberkörper wieder auf. »Die Kerle haben uns längst bemerkt.«
»Schlimmer noch, Herr.« Thoma zog die dicke, gesteppte Wollmütze tiefer in die Stirn. »Hier scheint etwas verkehrt zu sein. Wir verstecken uns, und die da oben zeigen sich ganz offen. Dabei müssten die uns doch fürchten …«
»Schweig! Sonst schlag ich dir auf dein freches Maul.«
»Ich bin nicht frech, Herr. Ich hab nur Angst um Euch …« Für einen Moment zeigte sich Thoma als selbstloser Knappe seines Ritters, dann setzte er hinzu: » … und auch um mich. Wir sind nur noch zehn, da oben aber warten mehr als zwanzig Reiter, und gut gerüstet sind sie.«
»Glaubst du, ich kann nicht zählen?«
»Heute Morgen habt Ihr von viel weniger gesprochen. Verzeiht, Herr, das wollte ich nicht sagen. Ihr habt Euch geirrt, nur geirrt. Das kann bei diesem Regenwetter schon mal geschehen.« Behutsam setzte Thoma hinzu: »Wir könnten doch leise verschwinden?«
»Feigheit?« Der Ritter drohte ihm mit dem schildbewehrten rechten Arm. »Wage nicht, deinen Herrn zur Feigheit zu überreden. Ein Gottfried von Berlichingen weicht vor keinem Feind zurück …« Metallenes Klacken unterbrach ihn, und nur noch von einer Lederschlaufe gehalten, baumelte der Schild an der eisernen Unterarmstulpe: Durch das heftige Schlenkern hatte sich der Mechanismus gelöst und die gekrümmten Finger waren aufgeschnappt. »Verfluchter Tag«, haderte Götz. »Da will ich einen guten Fang machen. Denke, ich hab leichtes Spiel, und sitz jetzt selbst in der Falle.«
Als die Gesellschaft der Adligen mit Knechten und Dienern in der Frühe vom Gasthaus in Richtung Hassfurt aufbrach, hatte er von seinem Versteck hinter der Scheune aus nur zwölf Pferde gezählt und daraufhin seinen eigenen Trupp geteilt. Sechs Männer sollten zur Mühle am Bach vorausreiten. »Falls einer uns entkommt, dann schnappt ihr ihn da.« Wie stets bei getrenntem Vorgehen hatten sie noch das Hornsignal für Notfälle vereinbart, und jede Gruppe war losgezogen.
Und nun befand sich dort oben eine Übermacht, bewaffnet mit Spießen und vor allem mit Armbrüsten. »Die lauern drauf, dass ich angreife.« Sein Lachen schepperte im Helm. »So blöde müsste ich sein. Nein, ich habe Zeit.« Auf einen Wink hin musste sein Knappe absteigen, durchs Gesträuch herüberrobben und die eisernen Finger wieder um den Schildgriff schließen. »Und jetzt warten wir, Junge, bis sie runterkommen. Und dann dürfen sie sich blutige Nasen bei uns abholen.«
Thoma schüttelte den Kopf. »Ist das eine gute Idee, Herr?«
Nur mit einer schnellen Verbeugung entging er der Ohrfeige. »Ich hab verstanden, Herr. Es ist eine gute Idee.«
Eine Stunde lang
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