Riemenschneider
geschah nichts. Stetig nieselte Regen. Ein kalter grauer Februartag. Vor der Baumgruppe hoben sich Dunstschleier aus dem morastigen Grund und verloren sich wieder, ehe sie die Kuppe erreicht hatten.
Unvermittelt begann der Angriff. In einer breiten Linie preschten Herren, Diener und Knechte den Hügel hinunter, mit weiten Sprüngen setzten die Pferde über Sträucher hinweg, beim Aufprall der Hufe gab da und dort der regenweiche Boden nach. Zwei Gäule brachen in die Vorderläufe, ihre Reiter wurden aus den Sätteln geschleudert, ihnen nach überschlugen sich die Tiere, wieherten.
»Aus der Deckung!«, schrie Götz von Berlichingen seinen Leuten zu. »Lasst keinen entwischen!« Schnell formierte sich eine waffenstarrende Kette. Von oben tobte die Übermacht heran, in der Senke verlangsamte der morastige Boden den Ansturm, dann aber prallten Spieße gegen Brustharnische, schnell wucherten die Schreie zu wütendem Geheul, Schwerter klirrten. Ein Knecht des Berlichingen schlug rücklings auf die Kruppe seines Gauls, aus der Brust ragte ihm senkrecht ein Lanzenschaft.
Götz, das lange Schwert in der Linken, den Schild in der Eisenfaust, hieb nach rechts und links, teilte furchtbare Schläge aus, brüllte wie ein wilder Stier, unaufhaltsam kämpfte er sich zum Anführer der Adligen durch. Von der Seite stach er auf den Truchsess ein, und beim dritten Stoß fand seine Schwertspitze den Weg zwischen die Harnischplatten. Der Edle stöhnte, kippte aus dem Sattel und krachte mit geschlossenem Visier nach unten in den aufgewühlten Schlamm. Die eisengeschützten Gliedmaßen zappelten, wild schlug der Federbusch auf und nieder. »Lass ihn nicht verrecken!«, brüllte Götz seinem Knappen zu. »Er soll zahlen …«
Keine Zeit mehr. Durch den Sehschlitz des Helms entdeckte er noch rechtzeitig den Knecht des Edlen, die Armbrust schon angelegt. Ein heftiger Sporenstich in die Flanken seines Rappens, und das Tier sprang wiehernd nach vorn. Der Bolzen verfehlte sein Ziel. Sofort kehrte Götz um und sprengte auf den Knecht zu. Mutig schleuderte der seine Armbrust dem Ritter entgegen, dann riss er das Schwert aus der Scheide. Götz lachte. »Du Wicht. Ich schlag dir den Kopf runter.«
Kaum waren die Pferdeleiber auf gleicher Höhe, klirrten die Waffen gegeneinander, krachten auf die Schilde. Wieder und immer wieder. Funken sprühten. Der Knecht hielt stand, zahlte jeden Hieb mit gleicher Wucht zurück. Da scheuten die Pferde voneinander weg, und gleich hieb Götz nach einem anderen Feind, doch erneut war der Knecht des Edlen neben ihm; mit Wutgebrüll führte er einen gewaltigen Schlag, zu schwach parierte Götz und die Klinge zerschlug seinen linken Panzerärmel, drang tief ins Fleisch.
»Hundesohn!« Der Schmerz steigerte die Wut. Mit einem Rundschlag traf das Schwertblatt den Kopf des Widersachers, und bewusstlos stürzte der Tapfere aus dem Sattel. Götz zog sich zwischen die Bäume zurück. Sein Atem rasselte im Helm. »Ruf nach Verstärkung!«, befahl er dem Knappen. »Das Signal, schnell!«
Thoma setzte sein Hifthorn an. Dreimal kurz, dann lang. Und wieder: dreimal kurz und lang. »Ihr seid verwundet, Herr. Bleibt hier, bis Unterstützung kommt.«
»Bin ich eine Memme?«, fauchte der Ritter.
Drüben am Fuß des Hügels waren die Männer abgestiegen und hieben zu Fuß aufeinander ein. Die Adligen waren den kampfgeübten Wegelagerern unterlegen, allein ihre Überzahl rettete sie noch. Hornstöße! Antwort auf das Hilfesignal ertönte. Hornstöße, näher schon. Götz grunzte zufrieden. »Nun beenden wir den Tanz.«
Im Angesicht der herangaloppierenden Meute, ließen Adlige und Dienerschaft ermattet die Waffen fallen. Wer sich noch auf den Füßen halten konnte, der musste sich hinstellen, die Übrigen durften knien oder nebeneinander im Morast liegen. Etwas abseits und verdeckt von einem Baumstamm, öffnete Thoma den linken Panzer ärmel seines Herren. »Das kann böse werden.«
Götz betrachtete die Wunde am Oberarm. »Schwatz nicht. Der Schlag hat nur gefleischt.« Dennoch erlaubte er, dass sein Knappe aus dem ledernen Heilkoffer die kleine Flasche mit der Tinktur aus Blutwurz holte und den breiten Riss sorgsam auspinselte.
Derweil plünderten zwei Knechte des Berlichingen nach den Packtaschen der Pferde auch die Gefangenen, wühlten in den Kleidern, schnitten die Gürtel ab und häufelten vor jedem, was sie bei ihm an Wertvollem gefunden hatten.
Götz stapfte langsam die Reihe ab. Von einem zum nächsten wurde seine Miene
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