Riemenschneider
Ich hab es so satt.«
Ein tiefes Schnaufen, dann ein tiefer Schluck, gefolgt von befreiendem Rülpsen. »Das Rumziehen. Die Nächte unter freiem Himmel …«
Unter dem Tisch trat Thoma dem Sekretär auf den Fuß, beide bemühten sich, die freudige Überraschung zu verbergen. Sollte es wahr werden? Noch wagten sie nicht, dran zu glauben.
»Auch die Fehden hab ich satt. So mühsam ist das Geschäft geworden. Denkt an die letzte, die mit dem Mainzer Fürstbischof Albrecht. Ein Jahr haben wir hin und her geschrieben. Und das nur für den Acker vom Dorf Heimstedt, auf den die Buchener ihr Vieh getrieben haben. Ein ganzes Jahr hat der Albrecht mich mit seinem Geschreibe hingehalten.«
Zwar hatte Götz, wie stets in solch einer Fehdezeit, einige Anschläge auf Mainzer Kaufleute unternommen, das Glück aber war nicht auf seiner Seite gewesen. Ein Überfall wurde durch nachlässiges Ausspähen von seinen Kundschaftern vereitelt, bei einem anderen verdarben die eigenen Waffenknechte den schon sicher geglaubten Erfolg: Anstatt auf den Ritter still im Versteck zu warten, überfielen und brandschatzten sie aus Übermut zwei Dörfer. »Ja, sogar meine eigenen Leute haben mir viel Schaden zugefügt.« Götz ließ sich nachschenken.
»Aber, Herr, unsere Leute sind nicht allein schuld.« Thoma schürte den Unmut seines Ritters mit düsterer Stimme. »Verrat. Denkt nur an diesen Amtmann von Krautheim.«
»Marx Stumpf, den vergesse ich nicht. Da hab ich einen Gefangenen an einem sicheren Ort untergebracht, und dieser Hund hat das Versteck verraten.«
Sinterius schauderte. »Doch Ihr habt Rache geübt.«
»Verweichlichter Federkauer.« Götz wollte mit der Linken seinem Sekretär gegen die Brust stoßen, musste aber auf halbem Wege innehalten. Die Armwunde schmerzte wieder. »Rache? Nur eingeheizt hab ich ihm. Schließlich war es kalt draußen.« In der Erinnerung lachte Götz in sich hinein. »Dieser feige Hase. Ja, wenn er rausgekommen wär, dann hätte ich ihm erst die Ohren, dann die Zunge abgeschnitten. Wie es sich für Verräter gehört. Aber so …«
In dieser schneehellen Nacht war Götz mit einigen Männern nach Krautheim geritten und hatte den Schafstall unterhalb des Schlosses angezündet. Er wollte den Amtmann ausräuchern. Die Flammen leckten hoch, der Wind trieb dicke Qualmwolken ins Gebäude. Doch Marx Stumpf versuchte keinen Ausfall. Nach zwei Stunden erschien er oben auf der Mauer und schrie unflätige Beleidigungen auf den Ritter nieder. Götz drohte ihm mit der Eisenfaust und zahlte ebenso kräftig zurück. Schließlich aber traf der Amtmann das Lindenblatt. »Er ist nichts anderes als ein hergelaufener Strauchdieb. Eine wahre Schande für den ehrbaren Ritterstand!«
»Du … Du …« Der Stich wühlte, schmerzte, endlich fasste sich Götz und wusste doch nichts Gleichwertiges entgegenzuhalten, so schleuderte er nur hinauf: »Und er? Er kann mich hinten lecken!« Um einer erneuten Kränkung zu entgehen, hatte er seinem Pferd die Sporen in die Flanken geschlagen und war in die Nacht davongeritten. »Ja, dieser verdammte Verräter.«
Sinterius glaubte mit einem Scherz die Stimmung aufzuheitern. »Wenn der Amtmann gewusst hätte, wozu Ihr ihn eingeladen habt.« Da kein Lachen zum Lohn folgte, stieß der Sekretär nur allein ein vergnügtes Meckern aus. »Ich meine …« Das Vergnügen verstärkte sich. »Ich meine, so wie es bei Euch hinten beschaffen ist.«
»Das findest du lustig? Da leidet dein Herr bei jedem Ritt Höllenqualen, und du hast deinen Spaß daran?« Götz schnaufte und schlug nun doch mit der linken Hand nach ihm; gleich verzerrte er gepeinigt das Gesicht und drohte: »Deine Schreibfeder werde ich dir in den Arsch rammen.« Er grinste über das erschrockene Gesicht. »Erst aber schreibst du mir morgen noch die Quittung über die 2000 Gulden, damit ich den Kauf abschließen kann.«
Es gelang ihm nicht mehr, den Becher ohne Zittern anzuheben. An seinem Oberarm nässte Blut durch den Verband. »Hilf mir«, bat er den Knappen.« Thoma gab ihm zu trinken und wollte nach zwei Schlucken absetzen, er aber drückte den Stumpf unter den Boden des Bechers, bis er ihn ganz geleert hatte. Wein tropfte vom Kinn. »Meine Buben.« Schwerer mühte sich nun die Zunge. »Die Burg Hornberg. Da ist bald unser neues Zuhause.«
»Ihr meint richtig wohnen? So für längere Zeit?«
»Das will ich. In meinem Bett schlafen.« Wohlig grunzte der Ritter. »Und baden. Und vorher hast du mir das ganze Fell nach Läusen abgesucht. So
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