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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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Auftrag …«
»Nicht doch. Schließlich soll ein Ratsherr den anderen unterstützen.« Til forderte den Gast auf zu trinken und nutzte selbst den Moment, um sich zu sammeln. Rupert und Tobias hatten das vollendete Schnitzwerk aus der Werkstatt getragen und neben dem Tisch aufrecht an die Hauswand gelehnt. Das Loslassen, das Abschiednehmen von der Figur, fiel ihm schwerer als sonst. »Verzeih!« Til deutete auf das Antlitz. »Fällt dir sein Zustand auf? Ein wenig dreht er den Oberkörper. Jesus ist noch nicht verschieden. Diesen Moment zwischen Leben und Tod, den hab ich festgehalten. Eine zu wachsbleiche Haut würde nicht stimmen, eher lebendfarbig müsste sie sein und etwas verschwitzt …«
»Verehrter Meister«, entschlossen setzte der Rastkollege seinen Becher ab. »Soll ich, oder willst du? Bald habe ich den Eindruck, dass du mir gar nicht zutraust, den Christus farbig zu fassen.«
»Aber ja. Niemand anderem«, haspelte Til und tätschelte den Arm des Malers. »Verzeih, das wäre ein ganz falscher Eindruck.« Insgeheim war er erleichtert, dem Maler seine Besorgnis mitgeteilt zu haben. Wenigstens erinnern wird er sich daran, dachte er, und das beeinflusst die Arbeit. Til schenkte nach. »Viel neuen Wein wird es dieses Jahr nicht geben.« Ohne Übergang hatte er das Thema gewechselt, sprach vom letzten langen Winter und wie sehr der Frost den Rebstöcken zugesetzt hatte. Dann erwähnte er den neuerlichen Vorwurf gegen den Brückenzöllner Hans Stor. »Dieses Mal ist er zu weit gegangen. Glaub nicht, dass wir ihn vom Rat noch länger decken können.«
»Hat der Bauer denn die Prügel überlebt?«
»Mit Not. Der Armknochen heilt schlecht zusammen, schlimmer aber ist die Verletzung am Kopf. Da bleibt ein Schaden. Allein findet sich der nicht mehr zurecht. Und das nur, weil er den Pfennig nicht bezahlen konnte.«
»So ganz unschuldig war der Bauer nicht, habe ich gehört. Immerhin soll er mit dem Messer nach der Frau des Zöllners gestochen haben.« Johann Wagenknecht legte beide Hände offen auf den Tisch. »Ganz gleich. Ich denke auch, dass wir den Stor vom Zollhaus abziehen und ihm eine andere Arbeit zuteilen sollten. Dafür wird sicher eine Mehrheit im Rat zu finden sein.«
»Ein guter Vorschlag, dem ich gerne zustimme.« Til sah, wie der Kollege mit sich zufrieden lächelte, und wollte nun die Gelegenheit nutzen: »Eine Bitte habe ich noch.« Ehe die Stimmung sinken konnte, rettete er sie. »Sei beruhigt, es hat nichts mit der Farbfassung des Christus zu tun. Und doch ein wenig …« Kurz und eindringlich erläuterte der Vater, ließ dabei die Hände mitsprechen. Johann Wagenknecht musste nicht lange überlegen, und die Männer besiegelten die Abmachung mit einem Handschlag. Beide erhoben sich.
»Warte hier am Kreuz«, bat Til und setzte in leicht verschwörerischem Ton hinzu. »Und wundere dich nicht über meine Strenge.« Mit lauter Stimme rief er nach Barthel. Es dauerte, dann endlich verließ der jüngste Sohn die Werkstatt. Ohne Eile schlurfte er auf den Vater zu, die Mundwinkel hingen, der Blick war gelangweilt. »Hier bin ich.«
»Sei nicht unhöflich. Begrüß unseren Gast!«
Barthel strich die roten Locken aus der Stirn. »Einen guten Tag wünsche ich.« Mit einem Seufzer wandte er sich wieder dem Vater zu. »Und jetzt?«
»Ein Auftrag, und ich erwarte keine Widerworte. Du schaffst mit Rupert den Kruzifixus in die Werkstatt meines Freundes Johann Wagenknecht.«
»Na wenigstens ist es besser als da drinnen …« Barthel sah die geballte Faust des Vaters, fürchtete sie aber nicht. »Kann ich mir erst noch in der Küche …«
»Nein, sofort«, befahl Til und setzte mit drohendem Unterton hinzu. »Ich bin dein mürrisches Gesicht leid. Meinetwegen kannst du gleich in der Malerwerkstatt bleiben.«
Nun erschrak der Vierzehnjährige doch. »Verzeih, Vater. Ich wollte nicht … Es ist ja nur …«
Til richtete sich zur vollen Größe auf, kaum vermochte er noch die Rolle weiterzuspielen. »Mein Entschluss steht fest. Ab sofort verschwindest du von hier, und in Zukunft bleibst du tagsüber in der Malerwerkstatt meines Freundes.« Barthel begriff die Überraschung nicht schnell genug, und der Vater konnte sie nicht länger für sich behalten: »Als Lehrbub. Johann Wagenknecht nimmt dich auf …«
Weiter kam er nicht. Barthel strahlte, lief mit einem Glückschrei an die Brust des Vaters, umarmte ihn stürmisch. »Danke. Nie hab ich daran geglaubt. Danke!«
»Ich sagte dir doch, dein Vater hat schon

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