Riemenschneider
nachgedacht.« Til streichelte über den Lockenschopf. »Glücklich sollst du werden, mein Junge.«
Wenig später war der Kruzifixus auf dem Wagen in Holzspänen gebettet. Vorn saß der Maler neben Rupert, und als Wächter hockte Barthel am Fuß des Kreuzes. Seine Augen leuchteten, als das Fuhrwerk aus dem Tor in die Franziskanergasse einbog.
In der Schlafstube lag quer über dem Federbett ein schwarz umrissenes Lichtfenster. Frau Margarethe schlief nicht. Die Vollmondnacht verstärkte ihre Unruhe; seit einer Stunde sah sie zu, wie sich der grellhelle Ausschnitt langsam über den Stoffbezug auf sie zu schob. Neben ihr schnaufte und schnarchte Tilman Riemenschneider. »Unerträglich«, flüsterte sie und verschränkte, löste und verschränkte die Finger. Ihre Zunge war trocken, die rissigen Lippen schmerzten. Margarethe setzte sich auf und presste den Rücken ans Wandpolster. Keine Erleichterung, auch in dieser Haltung fand sie nicht zur Ruhe. »Wach auf!« Erst halblaut, und weil er sich nicht regte, wurde ihr Ton schärfer, gleichzeitig rüttelte sie ihn an der Schulter.
Nur ungern verlor Til den Traum. Der Druck ihrer Fingernägel aber ließ ihm keine Wahl. »Fehlt dir etwas?«
»Wie kannst du schlafen, wenn ich wach liege?«
»Das fällt mir nicht schwer.« Er gähnte ausgiebig, dann rieb er sich über die Stirn. »Es ist noch mitten in der Nacht.«
»Aber wir haben Vollmond. Du weißt, dass ich dann sehr beunruhigt bin. Außerdem ist es mir zu hell in der Stube.«
Seit Frau Margarethe häufig unter Schmerzen im Magen und Gedärm litt und ihr Atem so bitter geworden war, schloss Til die Schlagläden und das Fenster nach Möglichkeit nicht mehr. »Frische Luft hilft uns beiden. Aber wenn du möchtest …« Er hob die Zudecke, setzte schon einen Fuß auf den Boden.
»Nein, lass nur«, hielt sie ihn zurück. »Jetzt ist eine gute Zeit für ein Gespräch, mein lieber Bester. Niemand stört uns. Keine Werkstatt, keine Verpflichtungen im Stadtrat. Du kannst mir also zuhören.«
Til raffte sich nun auch hoch und suchte mit dem Rücken das Wandpolster. »Geht es wieder um den abgerutschten Weinberg? Du weißt, ich will ihn nicht verkaufen, sondern neue Rebstöcke setzen lassen.«
»Darüber können wir uns später unterhalten. Der Domherr ist sehr daran interessiert. Warten wir zunächst sein Angebot ab!« Sie tastete neben sich nach dem Becher mit Wasser, trank hastig und hielt ihn in der Hand. »Sorge, mein lieber Bester, große Sorge lässt mich nicht mehr schlafen. Hier im Hause ist einiges in Unordnung geraten. Ich bin mit den Mägden nicht zufrieden, von Woche zu Woche werden sie aufsässiger. Mehr aber noch beunruhigt mich deine Tochter.«
»Katharina? Ist sie etwa krank? Das Mädchen ist stets vergnügt, wenn ich es sehe.«
»Mir geht es darum, was du nicht siehst, was dir nicht auffällt in diesem Hause. Hinter deinem Rücken braut sich Unheil zusammen, und womöglich geschieht es sogar mit Unterstützung deiner von dir so geschätzten Magdalena. Von wegen: Sie ist selbstlos, von wegen: Sie ist die gute Seele im Wolfmannsziechlein. Ich fürchte, du hast dich in deiner Gutmütigkeit täuschen lassen. O ja, dieses Weib hat lange vorausgedacht …«
»Nicht, Frau, bitte! Ich verbiete dir, so über Magdalena zu sprechen. Schmerzt dein Bauch wieder? Soll ich dir vom Pulver geben?«
»Nicht nötig.« Sie wandte ihm das Gesicht zu. »Du fühlst dich als ihr großer Beschützer, doch dieses Weib benötigt keinen Schutz, eher solltest du dich vor ihr hüten. Was sage ich, wir alle …« Sie seufzte schwer, und ihr Galleatem traf ihn, ehe er zurückweichen konnte. »Ja, lieber Bester, ich fürchte, unser Name, das Ansehen unserer Familie ist in Gefahr, durch den Schmutz gezogen zu werden.«
Til verengte die Brauen. Bisher hatte er den versteckten Beschwerden seiner Gemahlin über Magdalena keine Bedeutung beigemessen und im Stillen gehofft, dass sich beide aneinander gewöhnen würden. Eine Zeit lang schien es auch so zu sein, doch nun? So direkt und beschuldigend war Margarethe noch nie geworden. »Was hat Eva … ich meine, was ist zwischen der Magd und Katharina vorgefallen?«
»Öffne endlich die Augen. Es ist ihr Sohn Florian, dieser Faulpelz, dieser Herumtreiber. Und die Mutter scheint eingeweiht.«
Mit beiden Händen kämmte Til das Haar zurück. Er verspürte einen fremden Druck in der Brust, und nicht allein ihr Atem hatte ihn verursacht. »Sag endlich, was ist vorgefallen?«
»Du weißt, wie umsichtig von mir
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